Denkste! Das Festival für Allgemeinmedizin räumt mit Vorurteilen auf. Und mal ehrlich: Hättet ihr euch zum Berufsstart nicht auch mehr ehrliche Einblicke in den Arbeitsalltag gewünscht?
Als Medizinstudent muss man nicht nur viel büffeln, sondern sich auch irgendwann für eine Fachrichtung entscheiden. Die Auswahl ist groß – und die Möglichkeiten vielfältig. Das Bild vom späteren Arbeitsalltag wird dabei geprägt von Bekannten und Verwandten, die ebenfalls Ärzte sind oder von den Ärzten, mit denen man im Studium in Famulaturen und Praktika zusammenarbeitet. Und dann wären da noch die Vorurteile – auch sie haben Einfluss auf die Entscheidung für oder gegen eine Fachrichtung. Und Vorurteile basieren bekanntlich oft auf: fehlender Information.
Genau diese Informationslücke wollen die Initiatoren eines neuen Formats schließen. Am 16. November 2022 fand zum zweiten Mal das Online-Event Festival der Allgemeinmedizin (FAMe) statt. Initiiert von einer Gruppe engagierter junger Hausärzte zusammen mit Hausärzteverbänden und -Gesellschaften soll jungen Medizinern dort ein realistisches Bild der Allgemeinmedizin vermittelt werden. „Es ist an der Zeit, den Studenten einen ehrlichen Blick in die Allgemeinmedizin zu geben. Es gibt so viele Möglichkeiten als Facharzt für Allgemeinmedizin. Wir wollten einfach zeigen, wie unterschiedlich der Alltag aussehen kann und dass da für fast jeden was dabei ist“, erklärt Dr. Jana Husemann.
Die Fachärztin für Allgemeinmedizin praktiziert in einer hausärztlichen Gemeinschaftspraxis in Hamburgs Stadtteil St. Pauli und möchte angehenden Ärzten ein realistisches Bild ihres Berufsfeldes vermitteln. Vor diesem Hintergrund sprach sie als Referentin im April dieses Jahres beim ersten FAMe über ihren Berufsalltag. In 10-minütigen Vorträgen plaudern dort Allgemeinmediziner aus dem Nähkästchen, berichten von ihren Erfahrungen im Berufsleben und ihren Werdegängen. Und das Event wurde ein Erfolg: Rund 400 Teilnehmer lauschten den Berichten der Referenten und stellten in anschließenden Breakout-Sessions ihre Fragen an die praktizierenden Ärzte. Die Rückmeldungen waren fast ausschließlich positiv.
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Die Allgemeinmedizin ist langweilig! Wissenschaftliches Arbeiten oder eine Karriere muss man sich als Allgemeinmediziner abschminken! Hausärzte arbeiten viel, aber verdienen wenig! – Alles häufig zu hören unter gestandenen Medizinern. Jana Husemann winkt ab: „In diesem Bereich gibt es immer noch sehr viele Vorurteile, die sich teilweise auch hartnäckig unter den Studenten halten“, erklärt die Ärztin und erste Vorsitzende des Hausärzteverband Hamburg im Gespräch mit DocCheck.
Die Initiatoren des FAMe wollen mit diesen Vorurteilen endlich aufräumen. Und die Resonanz lässt sich sehen: Auch für das zweite Event meldeten sich über 400 Teilnehmer an, über 200 Menschen waren schließlich vor ihren Bildschirmen dabei. Genug, um das Projekt weiterlaufen zu lassen. Ohne langweilig zu werden, denn das Programm soll jedes Mal variieren, genauso wie die Referenten.
Die Online-Veranstaltungen des FAMe konnten sich während der Corona-Pandemie etablieren, so konnten auch Studenten aus Indien, Rumänien und Belgien am Festival teilnehmen. Aber auch Live-Events sind für die Zukunft geplant. Zweimal im Jahr soll das FAMe künftig zu einer Anlaufstelle für unentschlossene Medizinstudenten werden.
„Das ganze lebt davon, dass unterschiedliche Geschichten erzählt werden, bei jedem Event. Deshalb wiederholen wir die Vorträge nicht einfach bei jeder Veranstaltung. Unsere Referenten stehen alle im Berufsleben, sind aber vom Alter her noch nah an den Studenten und können sich noch gut an die Zweifel und Vorurteile erinnern, mit denen man als angehender Arzt konfrontiert wird“, erklärt Husemann. Denn nicht jeder angehende Arzt hat geeignete Vorbilder oder engagierte Mentoren an der Hand. Und die Informationsflut im Internet kann auch ganz schön überfordern. „Ich hätte sowas damals gebraucht“, sagt die Hamburger Hausärztin.
Mehr Informationen zum FAMe findet ihr hier.
Am Festival beteiligt sind die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin (DEGAM), der Hausärzteverband (HÄV), das Institut für hausärztliche Fortbildung (IhF) und die Gesellschaft der Hochschullehrenden in der Allgemeinmedizin (GHA).
Bildquelle: Thanh Soledas, Unsplash