Etwa 12 % aller Schwangerschaften enden mit einem Frühabort. Häufig wird das Thema tabuisiert, obwohl ein offener, empathischer Umgang besser wäre. Meine Sicht als Gynäkologin.
Endet eine Schwangerschaft mit einer Fehlgeburt, stellt das für die betroffene Frau in der Regel ein unerwartetes, trauriges Ereignis dar. Die Häufigkeit von Fehlgeburten ist den meisten Patientinnen nicht bewusst und kann zu Angststörungen (30 %), depressiver Symptomatik (10%) und posttraumatischem Belastungssyndrom (34 %) führen. Da sich 80 % der Fehlgeburten in den ersten 12 Wochen als Frühabort ereignen, ist das Umfeld der Frau meist noch nicht von der Schwangerschaft informiert. Verdrängt die Betroffene das Thema, können unglückliche Belastungssituationen entstehen, die durch einen offenen gesellschaftlichen Umgang mit diesem Tabuthema vermeidbar wären.
Unter einer Fehlgeburt versteht man den Verlust einer Schwangerschaft vom Beginn der Konzeption bis 24 + 0 Schwangerschaftswochen (SSW) bzw. bei einem fetalen Gewicht < 500 g. Bis 12 + 0 SSW spricht man von einem Frühabort, danach bis 24 + 0 SSW von einem Spätabort.
Medizinisch teilt man in der angloamerikanischen Literatur in „missed miscarriage“ (verhaltene Fehlgeburt) ein, was in der deutschen Literatur meist als „missed abortion“ bezeichnet wird. Hier zeigt der Embryo keine Vitalitätszeichen, es findet noch kein Ausstoßungsvorgang statt. Handelt es sich nur um eine leere Fruchthöhle ohne Embryo, spricht man von einem Wind- oder Abortivei. Dies sind durch Ultraschall erhobene Befunde, wie sie bei einer der ersten Routineuntersuchungen in der Frühschwangerschaft erhoben werden.
Ist der Embryo vital und es kommt zu einer vaginalen Blutung, handelt es sich um eine drohende Fehlgeburt (Abortus imminens). Eine Schwangerschaft ist irreversibel gestört, wenn sich der Muttermund öffnet und es zum Gewebe- und Koagelabgang kommt (Abortus incipiens). Dabei kommt es entweder zu einem vollständigen Abgang (Abortus completus) oder es verbleiben noch Schwangerschaftsreste im Uterus (Abortus incompletus). Hier kommt die Schwangere mit einer vaginalen Blutung und Unterbauchschmerzen in die Sprechstunde.
Davon abzugrenzen ist eine Sonderform der gestörten Frühschwangerschaft, die Extrauteringravidität (EUG), die in etwa 2 % der Schwangerschaften vorkommt. Dabei nistet sich der Embryo außerhalb der Gebärmutterhöhle, meist im Eileiter, ein. Bei einem entsprechenden Blutserum-hCG-Wert kann keine intrauterine Fruchtanlage im Ultraschall gesehen werden, die Patientin klagt meist über Unterbauchschmerzen und vaginaler Blutung. Eine EUG ist potentiell lebensbedrohlich und wird in der Klinik notfallmäßig therapiert.
Seltene Ausnahmen sind maligne Transformationen von Schwangerschaftsanlage, sogenannte Trophoblasterkrankungen (Blasenmole). Etwa 1 % bis 3 % aller Paare im reproduktionsfähigen Alter erleben den wiederholten Verlust einer Schwangerschaft. Die WHO spricht von einem wiederholten Spontanabort (WSA) bei drei und mehr konsekutiven Fehlgeburten.
Die psychologischen Aspekte eines Frühabortes für das betroffene Paar sollten nicht unterschätzt werden. Insbesondere bei wiederholten Aborten oder nach reproduktionsmedizinischen Therapien kann es zu Trauerprozessen mit reaktiver Depression, Schuldgefühlen und sozialem Rückzug kommen. Es gibt psychosoziale Hilfs- und Unterstützungsangebote in Form von Selbsthilfegruppen, Internetforen oder eine Vermittlung an psychiatrische Fachkollegen. Auch nach einem Frühabort besteht vielerorts das Projekt Sternenkinder, dass eine individuelle Bestattung auch ohne Bestattungspflicht ermöglicht und damit den Trauerprozess erleichtert.
In der gynäkologischen Praxis wird meist der Rat gegeben, drei Zyklen bis zum erneuten Schwangerschaftsversuch abzuwarten. Das trägt mehr dem Aspekt einer körperlichen und psychischen Erholungsphase als einer wissenschaftlichen Begründung Rechnung.
Fehlgeburten sind in der gynäkologischen Routine ein häufiges Ereignis; für die betroffenen Frauen und ihre Familien jedoch eine Ausnahmesituation. Für ein empathisches und verständnisvolles Gespräch im Anschluss an Diagnostik und Therapievorschlägen sollte daher genügend Zeit sein.
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