Persönlichkeitszüge wie kühles und emotionsloses Verhalten gehen bei Jungen mit strukturellen Veränderungen im Gehirn einher, nicht aber bei Mädchen. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie von Schweizer Neuropsychologen.
Kühle und emotionslose Persönlichkeitszüge können ein Risiko für eine beeinträchtigte Entwicklung der Empathie und der Gewissensentwicklung darstellen. Kinder und Jugendliche reagieren dann weniger auf emotionale Reize in ihrer Umwelt. Sie bevorzugen häufig gefährliche Aktivitäten, in denen sie weniger Vorsicht oder Ängstlichkeit zeigen. Forscher und Ärzte haben solchen Persönlichkeitsmerkmalen in den letzten Jahren erhöhte Aufmerksamkeit geschenkt, da diese in Zusammenhang mit der Entwicklung von Störungen des Sozialverhaltens gebracht werden.
Bis heute haben sich Forschungsergebnisse vor allem auf klinische Stichproben beschränkt. Jugendliche mit einem psychiatrischen Störungsbild leiden allerdings häufig auch noch an weiteren Störungen, wie beispielsweise Angststörungen oder Aufmerksamkeitsstörungen. Bislang war deshalb unklar, ob die Verbindungen zwischen Gehirnstruktur und Gehirnfunktion allein auf kühle, emotionslose Persönlichkeitszüge oder auf Begleiterkrankungen zurückzuführen sind. Mithilfe von Magnetresonanztomografie haben Neuropsychologen nun einen genaueren Einblick in die Hirnentwicklung von 189 gesunden Jugendlichen genommen. Dabei interessierte sie speziell, ob sich kühle und emotionslose Persönlichkeitszüge durch Veränderungen in der Hirnstruktur erkennen lassen. Insbesondere wollten die Wissenschaftler herausfinden, ob es dabei Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen gibt.
Die Ergebnisse zeigen, dass bei Jungen mit kühlen und emotionslosen Persönlichkeitsmerkmalen Veränderungen im vorderen Teil der Inselrinde vorhanden sind. Dabei handelt es sich um eine Gehirnstruktur, welche für Emotionsverarbeitung und Empathie verantwortlich ist. Für Mädchen konnte der Zusammenhang nicht nachgewiesen werden. Interessant ist insbesondere, dass solche hirnstrukturellen Merkmale erkennbar waren, obwohl keine der Testpersonen Symptome einer klinischen Diagnose (z.B. Störung des Sozialverhaltens) erfüllte. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass Veränderungen im Gehirn als Resultat von kühlen und emotionslosen Persönlichkeitszügen auch bei gesunden Jungen erkennbar sind“, erklärt Erstautorin Nora Maria Raschle von der Universität Basel. „In einem nächsten Schritt wollen wir herausfinden, welcher Auslöser dazu führt, dass einige dieser Kinder und Jugendlichen später eine Psychopathologie entwickeln, während andere nie auffällig werden.“ Der Text basiert auf einer Pressemitteilung der Universität Basel. Quelle: Callous-unemotional traits and brain structure: Sex-specific effects in anterior insula of typically-developing youths Nora Maria Raschle et al.; Neuro Image Clinical, doi: 10.1016/j.nicl.2017.12.015; 2017