Eine aktuelle Studie zeigt, dass der Erfolg einer bariatrischen Operation weniger vom chirurgischen Eingriff abhängt. Wichtiger scheint eine intakte Informationsverarbeitung im Hirn zu sein.
Für viele Personen mit ausgeprägter Adipositas ist eine bariatrische Operation (wie zum Beispiel ein Magenbypass oder ein Schlauchmagen) der letzte Ausweg, um ihr Gewicht dauerhaft zu reduzieren. Der Erfolg der OP hängt dabei aber nicht allein vom chirurgischen Eingriff im Magen-Darm-Trakt ab – sehr wesentlich wird die Wirkung über Strukturen im Gehirn vermittelt. Das fand jetzt ein interdisziplinäres Team am Uniklinikum Würzburg heraus.
„Die Adipositas-Chirurgie ist aktuell sicherlich die effektivste Therapie für eine ausgeprägte Adipositas. Die Wirkweise dieser Operation ist allerdings nicht vollständig verstanden“, berichtet Adiopositasforscher Dr. Ulrich Dischinger. Gemeinsam mit Kollegen fand er nun heraus, dass die Effektivität der Adipositas-Chirurgie von einem intakten Hypothalamus abhängt –der Schaltzentrale im Hirn, die vegetative und endokrine Vorgänge reguliert und unter anderem die Nahrungsaufnahme steuert.
Ist diese Gehirnregion krankheitsbedingt zerstört – z.B. durch einen gutartigen Tumor – ist der Effekt der Adipositas-Operation deutlich abgeschwächt. Sattmachende Hormone wie GLP-1 oder PYY, die nach dem chirurgischen Eingriff verstärkt ausgeschüttet werden, können ihre nahrungsregulierende Wirkung über den geschädigten Hypothalamus nicht entfalten. Obwohl die in der Studie untersuchten Patienten mit Adipositas und geschädigtem Hypothalamus nach der bariatrischen Operation höhere Hormonspiegel aufwiesen als jene mit Adipositas und intaktem Hypothalamus, war der Effekt der OP bei ihnen deutlich abgeschwächt. Dies zeigt, dass die Wirkweise der Adipositas-Chirurgie im Wesentlichen auf veränderten neuroendokrinen Signalen aus dem Magendarmtrakt basiert und von einem intakten Hypothalamus abhängt.
Dischinger ist sich sicher, dass die Erkenntnisse wesentlich zu einer weiteren Aufklärung der Wirkweise der Adipositas-Chirurgie beitragen: „Die überragende Bedeutung einer intakten Hypothalamusfunktion für die Effektivität der bariatrischen Chirurgie war am Menschen bislang nicht gut untersucht. Mit unseren Resultaten können wir helfen, die Adipositas-Chirurgie vom Stigma einer simplen Magenverkleinerung zu befreien. Tatsächlich ist die bariatrische Operation eine Art neuroendokrine Intervention.“
Auch Prof. Florian Seyfried, Leiter des Würzburger Referenzzentrums für metabolische und bariatrische Chirurgie, hofft, dass die Ergebnisse zu einer größeren Akzeptanz der Adipositas-Chirurgie beitragen. „Bislang sind nicht nur die Adipositas, sondern auch die bariatrische Chirurgie stigmatisiert. So hält sich die historische Annahme, dass die Wirkungsweise bariatrischer Operationen darauf beruht, dass der Patient weniger Nahrung aufnehmen kann und diese vom Körper teilweise nicht mehr verstoffwechseln kann. Die nun publizierte Arbeit widerspricht nun ganz klar diesem vermuteten Wirkprinzip.“
Dischinger führt weiter aus: „Unsere Forschung wird auch dabei helfen, Menschen mit Schädigung des Hypothalamus und dadurch verursachter hypothalamischer Adipositas vor einer geplanten Adipositas-Operation besser beraten zu können. Gerade dieses sensible Patientengut sollte keiner Intervention zugeführt werden, deren üblicher günstiger Effekt nicht zu 100 % übertragbar sein dürfte.“
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des Universitätsklinikums Würzburg. Die Originalpublikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Gaspar Uhas, unsplash.