Forscher haben mit einem speziellen Röntgenverfahren untersucht, wie Lymphknoten mit Blut versorgt werden. Die 3D-Aufnahme enthüllt ein Detail, das bisheriges Lehrbuchwissen widerlegt.
Droht eine Infektionskrankheit, läuft unser Immunsystem auf Hochtouren: Es setzt Antikörper, weiße Blutkörperchen und Fresszellen in Bewegung. Wie genau das funktioniert, ist noch nicht komplett verstanden – etwa bei den Lymphknoten, einem wichtigen Element des Immunsystems. Bisher war unklar, wie im Detail die Blutversorgung der Knoten aussieht. Dieses Rätsel hat ein Forschungsteam nun gelöst: Mit einem speziellen Röntgenverfahren gelangen 3D-Aufnahmen, die das Gefäßsystem der Knoten mit unerreichter Auflösung zeigen – und der gängigen Lehrbuchmeinung widersprechen.
Jeder Mensch besitzt rund 600 bis 700 Lymphknoten. Für unsere Immunabwehr spielen diese Knoten eine wesentliche Rolle: Sie aktivieren die Lymphozyten und enthalten zudem Makrophagen. „Dennoch wissen wir längst nicht alles über diese wichtigen Teile des Immunsystems“, erklärt Biologe Dr. Jörg Hammel. „Unter anderem war noch nicht im Detail bekannt, wie das Blutgefäß-System aussieht, das die Knoten mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt und das auch eine wichtige Funktion beim Beherbergen von Immunzellen in den Lymphknoten übernimmt.“
Die Arbeitsgruppe nutzte eine besondere Analysemethode – die Mikrotomographie, die wie ein CT-Scanner funktioniert. Doch anders als beim Standardverfahren verwendete das Team keine konventionelle Röntgenröhre als Strahlungsquelle, sondern den hochintensiven und stark gebündelten Strahl aus dem Speicherring PETRA III des DESY. „Damit erreichen wir einen besseren Kontrast sowie eine höhere Bildauflösung“, erläutert Hammel. „Wir können deutlich detaillierter in eine Probe hineinschauen, als es im Krankenhaus möglich ist.“
Bei ihren Experimenten durchleuchteten die Fachleute die Lymphknoten gesunder Mäuse. Dabei verwendeten sie eine besondere Variante der Mikrotomographie – Phasenkontrast-Verfahren genannt. Hier passiert das Röntgenlicht, bevor es auf die Probe trifft, ein zweidimensionales Gitter. Dieses fungiert als eine Art Raster, das ein definiertes Beleuchtungsmuster erzeugt. Das Muster wird dann systematisch über die Probe bewegt. Gleichzeitig nehmen empfindliche Detektoren jene Strahlung auf, die durch die Probe hindurchtritt. Anschließend lässt sich per Computer rekonstruieren, wie die Probe im Einzelnen beschaffen ist.
Besonders vorteilhaft: „Im Gegensatz zu den üblichen Methoden brauchen wir kein Kontrastmittel“, sagt Hammel. „Dadurch konnten wir die Lymphknoten für die Untersuchung nahezu in ihrem natürlichen Zustand belassen.“ Das Ergebnis sind beeindruckende 3D-Röntgenaufnahmen der Knoten. Auf ihnen ist das Geflecht der Blutgefäße bis auf knappe zwei Mikrometer genau zu erkennen.
Bei der Auswertung stieß das Team auf eine Überraschung: Bislang hatte die Fachwelt angenommen, dass die Blutgefäße nur an einer einzigen Stelle in die Lymphknoten hinein- und hinaustreten – ähnlich wie eine Wand, in der es nur eine Steckdose gibt. Dagegen zeigen die neuen Aufnahmen, dass der Eintritt der Gefäße über einen deutlich größeren Bereich erfolgt. Die Wand besitzt mehrere Steckdosen, verteilt über eine gewisse Fläche – das bisherige Lehrbuchwissen dürfte damit widerlegt sein.
Credit: Paul Schütz.
„Das erscheint insofern sinnvoll, als dass die Lymphknoten, wenn sie bei einer Infektion aktiv werden, um ein Mehrfaches ihres Ursprungsvolumens anschwellen“, beschreibt Hammel. „Indem die Gefäße an mehreren Stellen eintreten statt nur an einer, kann das Gefäßsystem der Lymphknoten effektiver und selektiver auf die Schwellung im aktivierten Zustand reagieren.“
Für die Zukunft verspricht die Methode einiges mehr: So könnten sich die Gefäße von Lymphknoten untersuchen lassen, die durch eine Infektion aktiviert sind und auf ein Mehrfaches ihrer Größe angeschwollen sind. „Wir könnten nachschauen, wie die Lymphknoten an verschiedenen Körperstellen auf eine Infektion reagieren“, so Hammel. Interessant sei auch, die Reaktion der Knoten auf eine Corona-Infektion oder geschlechterspezifische Unterschiede zu analysieren.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des Helmholtz-Zentrums Hereon. Hier findet ihr die Originalpublikation.
Bildquelle: Dan Dennis, unsplash.