Bei Schilddrüsenknoten landen Patienten viel zu häufig unterm Messer, findet die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie. Wie sie darauf kommt und was sie Ärzten rät, lest ihr hier.
Knotige Veränderungen der Schilddrüse sind keine Seltenheit: Bei fast jedem zweiten Erwachsenen in Deutschland lassen sich solche Knoten feststellen. Grund ist, neben Jodmangel, auch eine immer weiter verfeinerte Ultraschalldiagnostik. Häufig werden die Knoten operativ entfernt, um eine Krebserkankung auzuschließen oder zu verhindern – immerhin gehen US-Leitlinien davon aus, dass bis zu 15 Prozent dieser Veränderungen bösartig sind. Doch ganz so groß scheint die Zahl wohl doch nicht zu sein, wie deutsche Forscher jetzt festgestellt haben.
In ihrer retrospektiven Studie mit knapp 17.500 Teilnehmern wurden im Laufe von bis zu 23 Jahren Nachbeobachtungszeit insgesamt bei 189 Patienten Schilddrüsenkarzinome diagnostiziert – das entspricht einer Malignitätsrate von 1,1 Prozent. Die vorsorgliche Entfernung vieler Knoten erweist sich damit als überflüssig, erklärt die die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE). Sie empfiehlt, die Indikation zur Operation erst nach gründlicher Diagnostik zu stellen.
„Diese neuen Zahlen sollten in die Risikoabschätzung beim Umgang mit den Knoten einfließen, insbesondere auch was die OP-Entscheidung angeht“, sagt Erstautor und Endokrinologe Prof. Martin Grußendorf. Momentan werden in Deutschland jährlich rund 56.000 Schilddrüsenoperationen durchgeführt: „Das sind circa 70 Operationen/100.000 Einwohner. Im europäischen Durchschnitt liegen die Zahlen jedoch mit 47 Operationen/100.000 Einwohner deutlich niedriger.“
Um Überdiagnostik und Übertherapie zu vermeiden, empfiehlt die DGE, im Jodmangelgebiet Deutschland bei Patienten ohne Hinweise auf eine Schilddrüsenerkrankung auf ein routinemäßiges Ultraschall-Screening der Schilddrüse zu verzichten. Wird ein Knoten mit einem Durchmesser von über einen Zentimeter nachgewiesen, sollten Ärzte zunächst eine Schilddrüsen-Sonographie durchführen. Außerdem rät die Fachgesellschaft, im Blut den TSH-Wert zu bestimmen. Weicht er von der Norm ab, sollten im nächsten Schritt zusätzlich die Schilddrüsenhormone fT4 und fT3 gemessen werden.
Hat man sich entschieden, den Knoten zu beobachten, sollte man ihn nach sechs bis zwölf Monaten erneut per Ultraschall kontrollieren, sagt Grußendorf. Bei weiterhin unauffälligem Befund kann die nächste Nachkontrolle nach zwei bis drei Jahren und dann nach fünf Jahren erfolgen. „Da bei initial unauffälligen Schilddrüsenknoten danach nur noch sehr wenige Malignome auftreten, muss der Stellenwert einer langjährigen Nachsorge jedoch kritisch hinterfragt werden“, ergänzt er. „Ebenso empfehlen wir die Bestimmung des Calcitonin-Wertes.“ Dadurch könnten die in etwa 0,5 Prozent der Fälle auftretenden C-Zell-Karzinome frühzeitig entdeckt werden. Die weiteren Schritte richten sich nach den Befunden und können Untersuchungen wie Feinnadelbiopsien und Szintigrafien beinhalten.
Auch eine aktuelle Klug-entscheiden-Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) und der DGE rät ausdrücklich von einer Ultraschall-Untersuchung der Schilddrüse zur Präventivdiagnostik ab – insbesondere bei Älteren. „Die Herausforderung besteht darin, mit einem angemessenen Aufwand an Diagnostik die seltenen bösartigen Fälle aus der Vielzahl der harmlosen Veränderungen herauszufiltern. Außerdem ist eine Jodprophylaxe wichtig, da der Jodmangel in Deutschland in den letzten zehn Jahren wieder deutlich zugenommen hat“, fasst Endokrinologe Prof. Stephan Petersenn von der DGE zusammen. „Um Patienten unnötige Ängste zu ersparen, sollte eine Ultraschall-Untersuchung der Schilddrüse nur bei klinisch oder laborchemisch begründetem Verdacht erfolgen, und nicht als Präventivdiagnostik.“
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