Die Rückenmarkstimulation zur Therapie von chronischen Schmerzen wird immer beliebter. Aber wie gut ist die Methode wirklich? Eine große Studie hat das jetzt untersucht – mit enttäuschenden Ergebnissen.
Bei chronischen und therapieresistenten Schmerzen kommt immer häufiger die Rückenmarkstimulation (Spinal Cord Stimulation, SCS) zum Einsatz. Dabei wird ein Neurostimulator unter die Haut implantiert, der elektrische Impulse an Nerven sendet und so Schmerzen lindern kann. Doch wie effektiv die Methode wirklich ist, wurde bislang nur unzureichend untersucht. US-Forscher um Sanket S. Dhruva von der University of California San Francisco School of Medicine haben jetzt die Wirksamkeit der Rückenmarkstimulation in größerem Umfang analysiert – mit enttäuschenden Ergebnissen.
In der Studie wurden 1.260 Schmerzpatienten, die die Rückenmarkstimulation erhalten haben, mit 6.300 koventionell behandelten Patienten (CMM) verglichen. Die Patienten litten dabei u.a. am Failed-Back-Surgery-Syndrom oder anderen chronischen Schmerzsyndromen, die den Rücken oder die Extremitäten betreffen.
Wie sich herausstellte, war die Verwendung eines permanenten Rückenmarkstimulators im Vergleich zur konventionellen medizinischen Behandlung nicht mit einer Verringerung des Opioidkonsums oder nichtpharmakologischer Schmerzinterventionen verbunden. Diejenigen, denen ein permanentes SCS implantiert wurde, hatten eine höhere Wahrscheinlichkeit für einen chronischen Opioidkonsum während der ersten 12 Monate im Vergleich zu denjenigen, die mit konventionellen Strategien behandelt wurden (adjusted OR 1,14, 95% CI 1,01-1,29).
SCS-Patienten hatten aber auch eine geringere Wahrscheinlichkeit für Kortikosteroidinjektionen (aOR 0,44, 95 % CI 0,39–0,51), Radiofrequenzablation (aOR 0,57, 95 % CI 0,44–0,72) und Wirbelsäulenchirurgie (aOR 0,72, 95 % CI 0,61–0,85) während der ersten 12 Monate, schrieb die Gruppe in JAMA Neurology. In den Monaten 13 bis 24 gab es jedoch keine signifikanten Unterschiede mehr zwischen den beiden Gruppen. Während der 2-Jahres-Studie traten bei 18 % der Patienten Komplikationen im Zusammenhang mit der SCS auf, und bei 22 % der Patienten musste das Gerät revidiert und/oder entfernt werden, wobei 10 % davon nicht aufgrund von Komplikationen erfolgten.
„Die fehlende Verringerung der Pharmakotherapie, der Kortikosteroidinjektionen und der Radiofrequenzablation nach 2 Jahren bei SCS-Patienten […], deutet darauf hin, dass SCS keine ausreichende Schmerzlinderung bot, um auf andere Therapien zu verzichten oder die Raten von Depressionen oder Angstzuständen zu verbessern, da die Verschreibungen für diese Medikamentenklassen nicht zurückgingen“, schrieben Dhruva und sein Team. „Darüber hinaus waren die Gesamtkosten für die Behandlung im ersten Jahr mit SCS um 39.000 Dollar höher als mit CMM und im zweiten Jahr ähnlich hoch wie bei SCS und CMM“, stellten sie fest.
In einem begleitenden Editorial erklären die Mediziner Prasad Shirvalkar und und Lawrence Poree: „Die Ergebnisse scheinen die weit verbreitete Annahme zu widerlegen, dass SCS in den Jahren unmittelbar nach der Implantation des Geräts zu einem geringeren Einsatz von Opioid-Medikamenten oder insgesamt zu weniger Arztbesuchen führt.“ Zu den Einschränkungen der Studie, die sowohl von den Autoren der Studie als auch des Editorials eingeräumt wurden, gehörte das Fehlen direkter Messungen von Schmerzen oder von qualitätsbereinigten Lebensjahren, um den vergleichbaren therapeutischen Nutzen zu bewerten.
Bildquelle: julien Tromeur, unsplash