Britische Gesundheitsbehörden registrieren viel mehr Streptokokken-Infektionen bei Kindern als üblich. Inzwischen gibt es sogar Berichte über Todesfälle. Wie ist die Lage in Deutschland?
Im Vereinigten Königreich treten in dieser Saison ungewöhnlich viele Scharlach-Fälle bei Kindern auf. Wie die zuständige Gesundheitsbehörde UK Health Security Agency (UKHSA) mitteilte, wurden allein in der dritten Novemberwoche 851 Fälle entdeckt. Zum Vergleich: In den vergangenen fünf Jahren registrierten Behörden durchschnittlich 186 Fälle im gleichen Zeitraum.
Scharlach wird durch Streptokokken der Gruppe A hervorgerufen, wichtigster Vertreter ist Streptococcus pyogenes. Die Erreger werden durch Tröpfcheninfektion aufgenommen und verursachen nach einer Inkubationszeit von 2–5 Tagen erste Krankheitszeichen. Die Prodromalphase ist gekennzeichnet durch Fieber, Übelkeit und Erbrechen, sowie eitrige Tonsillitis und Pharyngitis.
Ein bis zwei Tage nach der eitrigen Entzündung kann ein makulopapulöses Exanthem auftreten, dass sich von Hals, Nacken und Rücken ausgehend auf Rumpf, Extremitäten und Gesicht ausbreitet. Charakteristisch im Verlauf der Erkrankung sind auch die Veränderungen der Zunge: Sie ist zunächst weißlich belegt und später intensiv rot („Himbeerzunge“). Bei vorliegendem Scharlach sollten Penicillin V oder Erythromycin p.o. über mindestens eine Woche gegeben werden.
In seltenen Fällen kann die Erkrankung schwer oder gar tödlich verlaufen. In Großbritannien sind inzwischen 6 Kinder unter 10 Jahren und ein 12-Jähriger daran verstorben – üblich seien laut UKHSA 4 Todesfälle in einer ganzen Saison. Die Behörde rät Eltern und Kinderärzten dazu, verstärkt auf Symptome zu achten und Fälle rasch zu melden.
Warum die Fallzahlen derzeit so stark ansteigen, ist unklar. Dr. Chrissie Jones, Professorin für pädiatrische Infektiologie an der University of Southampton vermutet nicht, dass neue oder andere Stämme von A-Streptokokken die Ursache dafür sind: „Die vielen sozialen Kontakte und eine höhere Anzahl von Bakterien, die in der Gemeinschaft zirkulieren, sind der wahrscheinlichste Grund für den Anstieg der schweren Fälle“, erklärt sie.
Prof. Shiranee Sriskandan, Infektiologin am Imperial College London fügt hinzu, dass viele Kinder im Schulalter durch die Kontaktbeschränkungen in der Corona-Pandemie „möglicherweise keine Immunität gegen A-Streptokokken aufgebaut haben, so dass wir jetzt eine viel größere Gruppe nicht immuner Kinder haben, bei denen der Erreger zirkulieren und Infektionen verursachen kann.“
In Deutschland gibt es bislang noch keine Anzeichen für eine aufkommende Scharlach-Welle – allerdings liefert das RKI hierzu auch keine Zahlen. Mehrere der Redaktion bekannte Kinderärzte sehen bislang auch keinen Grund zur Sorge: „Ich sehe gerade insgesamt sehr viele Tonsillitiden, meist durch RSV und Influenza ausgelöst“, erklärt ein Kölner Kinderarzt auf Anfrage. Da könne natürlich auch mal Streptokokkus-A dabei sein, aber „bisher ist mir nicht bekannt, dass wir in Deutschland auffällig viele schwere Verläufe oder Todesfälle wegen Streptokokkus-A hatten.“
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