Ein neuer Blut- und Urintest soll 14 verschiedene Krebsarten im Frühstadium erkennen können. Könnte er sich zum bevölkerungsweiten Screening eignen?
Bei dem Test handelt es sich um eine Flüssigbiopsie, bei der Körperflüssigkeiten statt – wie bei einer klassischen Biopsie – Gewebe untersucht werden. Doch anstelle von Tumor-DNA basiert der neue Test auf der Analyse von Glykosaminoglykanen (GAGs) in Blut und Urin. Diese Zuckerverbindungen sind ein wichtiger Bestandteil der extrazellulären Matrix des Bindegewebes. Durch Tumoren kann sich deren Struktur verändern – warum, ist allerdings noch unklar.
In ihrer Studie haben die Forscher 2.064 Blut- und Urinproben von 1.260 Krebspatienten und gesunden Personen auf die spezifischen GAG-Muster hin untersucht. So entwickelten sie eine Vorhersagemethode für bestimmte Krebsarten, insgesamt waren es 14. Bei einer Spezifität von 95 % hatte der Test basierend auf Blutproben eine Sensitivität von 41,6 % für Krebs im Frühstadium (95 % KI: 34,2–49,2 %). Wurde auch der Urin analysiert, stieg die Sensitivität auf 61,4 % (95 % KI: 45,5–75,6). Ausgehend von einer Urinprobe allein, lag die Spezifität bei 62,3 % (95 % KI: 47,9–75,2).
Demnach wurden 6 von 10 Krebspatienten nach einem Urintest korrekt erkannt, bei 4 Erkrankten fiel der Test falsch-negativ aus. Der Bluttest allein erkannte nur etwa 4 von 10 Krebskranken richtig. Ihre Vorhersagemethode überprüften die Forscher anschließend mit Proben aus einer niederländischen Blutbank sowie einem Mausmodell.
Laut der schwedischen Entwickler könnte der Test sich zum bevölkerungsweiten Screening eignen, weil er kostengünstig und leicht durchzuführen sei. Für Prof. Almut Schulze, Leiterin der Abteilung Tumor-Metabolismus und Microenvironment vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg, ist diese Vorgehensweise in mehrfacher Hinsicht spannend: „GAGs sind zwar nicht so komplex wie die DNA eines Tumors, die ebenfalls mit Tests nachgewiesen werden kann, allerdings macht diese etwas abgeschwächte Komplexität von GAGs die Analyse sehr einfach. Und vor allem billiger. Die Autoren gehen von rund 50 Dollar aus.“
Allerdings gibt es auch einige Limitationen der Studie, wie die Tatsache, dass etwa das metabolische Syndrom Einfluss auf die GAGs nehmen und somit die Testergebnisse verfälschen könnte. Insbesondere im Alter sind metabolische Syndrome oder bestimmte entzündliche Erkrankungen keine Seltenheit.
Es dürfte ohnehin noch dauern, bis der Test in die Screening-Routine mit einfließt. Prof. Edgar Dahl, Leiter der Arbeitsgruppe Molekulare Onkologie sowie der Molekularpathologischen Diagnostik am Institut für Pathologie von der Uniklinik RWTH Aachen, erklärt: „Vor einer regelhaften Anwendung müsste eine umfangreiche Validierung in großen prospektiven Studien stehen. Auch die Spezifität von 95 Prozent klingt zwar erstmal gut, würde aber für einen diagnostischen Screening-Test heißen, dass jeder 20. Patient (also 5 %) falsch positiv bewertet würde; bei einer Million Getesteten wären dies 50.000 Personen.“
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