Forscher haben einen Wirkstoff identifiziert, der bei Huntington-Patienten den Spiegel des krankheitsverursachenden Huntingtin reduziert. Bisher war unklar, welcher Mechanismus dahintersteckt.
Die Huntington-Erkrankung wird durch sich wiederholende giftige Veränderungen im Eiweiß Huntingtin verursacht. Ein interdisziplinäreres Team des Uniklinikums Erlangen kam nun der Wirkweise einer Therapie auf die Spur, die momentan klinisch erprobt wird. Die Forscher entdeckten, dass ein small molecule den Abbau eines spezifischen, für die Eiweißsynthese notwendigen Botenmoleküls so beschleunigt, dass der Huntingtin-Spiegel bei Patienten deutlich sinkt.
Ein Small Molecule ist eine organische Substanz mit einem niedrigen Molekulargewicht, das in der Lage ist, biologische Prozesse wie die Eiweißsynthese zu verändern. Mit dieser bahnbrechenden Studie konnte das interdisziplinäre Erlanger Team erstmals zeigen, wie Nervenzellen von Huntington-Patienten geheilt werden können. Die Ergebnisse sollen dazu beitragen, langfristig RNA-modifizierende Ansätze für tödlich verlaufende Erkrankungen wie Huntington in der klinischen Praxis umzusetzen und so Betroffene zu behandeln.
Die Huntington-Erkrankung zeichnet sich durch zunehmende, nicht kontrollierbare Bewegungen aus. Neben dieser Bewegungsunruhe leiden Betroffene an schweren kognitiven Beeinträchtigungen und psychiatrischen Symptomen. Die meisten erkranken in jungem Alter, etwa 20 Jahre nach dem Ausbruch endet die Huntington-Erkrankung dann tödlich. Grund dafür ist eine spezifische Veränderung im Huntingtin-Gen, die mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 % vererbt wird. Genetisch kommt es zu wiederholten Verlängerungen eines kleinen Abschnitts im Huntingtin-Gen – den CAG-Repeats. Diese verursachen eine Verklumpung von Huntingtin in den Nervenzellen, was sie unwiderruflich zerstört.
In vielen Therapieansätzen, die aktuell klinisch erprobt werden, versuchen Forscher den Huntingtin-Spiegel zu senken. Diesen Ansatz verfolgten auch Wissenschaftler des Uniklinikums Erlangen im Rahmen einer sehr frühen klinischen Phase-IIa-Studie. Dabei werden small molecules – in diesem Fall der Wirkstoff Branaplam – als Tablette verabreicht, die den Huntingtin-Spiegel verringern. Diese Erkenntnis führte zu einer ersten internationalen Studie in der die Wirksamkeit von Branaplam bei der Huntington-Erkrankung überprüft wurde. Der Wirkmechanismus war jedoch unbekannt.
Um diesen in menschlichen Nervenzellen von Huntington-Patienten aufzudecken, stellte das Erlanger Forschungsteam nun mittels induzierter pluripotenter Stammzellen im Labor Gehirnnervenzellen her. Das Team behandelte diese Nervenzellen von Huntington-Betroffenen mit Branaplam und entdeckte, dass sich das schädliche Huntingtin bereits nach Zugabe geringster Wirkstoffmengen verringerte.
Im Vorfeld war bekannt, dass Branaplam sich an RNA-Botenmoleküle bindet. Um aufzuklären, welche Effekte der Wirkstoff auf die RNA-Botenmoleküle hat, wurde die Gesamtheit aller RNA-Moleküle in vielen Zellreihen mittels RNA-Sequenzierung gemessen. Dr. Florian Krach aus der Erlanger Stammzellbiologie gelang es mittels biostatistischer Verfahren und auf Basis künstlicher Intelligenz, den Wirkmechanismus in dieser enormen Datenmenge zu entschlüsseln: Branaplam hat einen bedeutenden Effekt auf das sogenannte Spleißen von RNA-Biomolekülen. Dabei werden nicht benötige Abschnitte der RNA-Botenmoleküle entfernt. Dies wird ebenfalls beim RNA-Botenmolekül des Huntingtin-Gens beobachtet. Der nicht herausgeschnittene Abschnitt in der Huntingtin-RNA führt dazu, dass das RNA-Botenmolekül instabil und infolgedessen abgebaut wird – somit kann das genetisch veränderte Huntingtin gar nicht erst entstehen.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Hier findet ihr die Originalpublikation.
Bildquelle: Ignat Dolomanov, unsplash.