Im Gesundheitssektor gelten Bits und Bytes als wichtigste Erfolgsfaktoren. Der Herausforderung, große Datenmengen sinnvoll auszuwerten, haben sich Firmen mit Erfolg gestellt. Vom 12. - 15.11. präsentierten sie auf der MEDICA in Düsseldorf Neues aus ihren Entwicklungslabors.
Seitdem Watson die Quizshow „Jeopardy!“ gewann, ist Supercomputing in aller Munde. IBMs Hochleistungsrechner beherrscht nicht nur medienwirksame Auftritte. Er hilft bei Management-Entscheidungen oder schlägt sich wacker als Berater im Kundensupport. Seine wahren Stärken spielt das Genie im klinischen Umfeld aus. Watson erfasst Daten zu Vitalparametern kontinuierlich und registriert gefährliche Tendenzen, weit bevor Ärzte oder Pflegekräfte in Aktion treten. Das Zauberwort lautet Predictive Analytics, also fundierte Zukunftsprognosen auf Basis vorliegender Informationen.
Watson interpretiert große, sich rasch ändernde Datenmengen. Mit den Chancen sogenannter „Big Data“ befassten sich Experten auf der MEDICA bei einer Podiumsdiskussion. Dr. Peter Langkafel von SAP bewertete Bits und Bytes als „Rohstoffe des 21. Jahrhunderts“. Welche Potenziale darin stecken, zeigte kürzlich ein Forscherteam vom Los Alamos National Laboratory in New Mexico. Nicholas Generous nahm Zugriffsdaten der Online-Enzyklopädie Wikipedia unter seine digitale Lupe. Ihn interessierte, welche Seiten User besonders häufig aufriefen – und zwar im zeitlichen Verlauf. Ausgehend von „Big Data“ sagte Generous Grippe-Ausbrüche in den USA, in Polen, Japan und Thailand voraus. Weitere Prognosen betrafen das Dengue-Fieber in Brasilien beziehungsweise Thailand sowie Tuberkulose in China und Thailand. Aus heilberuflicher Sicht steckt großes Potenzial in seiner Arbeit: Bei fast allen Epidemien gelangen Prognosen mindestens vier Wochen vor dem tatsächlichen Ausbruch. Nicholas Generous spricht noch von einer „Machbarkeitsstudie“, während Co-Autorin Sara Del Valle ein „globales Krankheits-Prognose-System“ in Zukunft für machbar hält.
Von der Forschung zurück zur Praxis: Deutschlands Ärzte beantworten die Frage, ob leistungsfähige IT-Infrastrukturen notwendig sind, komplett unterschiedlich. So gibt es „frühe Vögel“, sprich „early adopters“, wie das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg. Ab 2015 wollen Ärzte allen Krebspatienten eine Erbgutanalyse maligner Zellen anbieten und darauf aufbauend individuelle Therapien. Unterstützung erhalten sie von mehreren Technologiepartnern. Beispielsweise sorgt die GATC Biotech AG für Genomsequenzdaten unter zertifizierten Bedingungen. Von der SAP AG kommt die In-Memory-Technologie SAP HANA zur Echtzeitanalyse und zum Management großer Mengen. Hier nutzen Informatiker Arbeitsspeicher eines Computersystems als Datenspeicher – und keine Festplatten. Anwender profitieren von weitaus geringeren Zugriffszeiten. Bleibt noch die Molecular Health GmbH mit ihrer Softwarelösung TreatmentMAP, um genomische Patientendaten in einem klinischen Kontext zu interpretieren.
Derart exzellent sind nur wenige Häuser ausgestattet. Bei manchen Kliniken bestehen schon bei grundlegenden IT-Infrastrukturen Defizite. Das liegt vielleicht am fehlenden Verständnis und an schwammigen Planungen. Selbst motivierte Klinikleiter verzweifeln jedoch angesichts mangelnder Standards bei Systemen. Zentrales Ziel ist, Informationen aus verschiedenen Quellen sinnvoll zu verknüpfen: beispielsweise Vitalparameter der Patientenüberwachung und Medikationsdaten der Krankenhausapotheke. Langkafel sieht teilweise auch Regulierungsbedarf durch den Gesetzgeber: „Wie bei allen Prozessen in der Medizin – ob mit oder ohne IT – müssen der Datenschutz und die Persönlichkeitsrechte gewahrt bleiben.“
Eine Roadmap aus Berlin beleuchtet genau dieses Spannungsfeld. In ihrer „digitalen Agenda für Deutschland 2014 bis 2017“ haben Regierungsvertreter Meilensteine definiert. Dazu gehören Wachstum und Beschäftigung, Zugang und Teilhabe, aber auch Vertrauen und Sicherheit. Speziell im Gesundheitsbereich hoffen Ärzte und Apotheker, dass noch im Dezember ein Referentenentwurf zum E-Health-Gesetz vorliegt. Über dieses Regelwerk diskutierten Besucher beim MEDICA Health IT Forum. Einige Schlaglichter: Experten halten es für möglich, dass Körperschaften des öffentlichen Rechts wie Krankenkassen künftig mit interoperablen Systemen arbeiten müssten. Auf europäischer Ebene wäre denkbar, Orphan Drugs früher einzuführen, falls fortlaufend Patientendaten zur Sicherheit und zur Wirksamkeit erhoben würden – ein weiteres Beispiel für „Big Data“-Konzepte. Entsprechende Tools eignen sich auch zur Überwachung von Medizinprodukten. Doch was passiert mit personenbezogenen Daten in diesem Kontext? Juristen sägen bereits am Paragraphen 11 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG). Das Thema „Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten im Auftrag“ ist nicht präzise genug formuliert. Sie wünschen sich strengere Rahmenbedingungen, falls heikle Informationen im Kontext der ärztlichen Schweigepflicht verarbeitet werden.