Vertrauen bildet den Grundpfeiler einer zielgerichteten ärztlichen Betreuung und Therapie. Die Psychologin PD Dr. Gundula Ernst von der Medizinischen Hochschule Hannover berichtet im Interview über ihre persönlichen Erfahrungen in der Beratung von Patienten mit Phenylketonurie (PKU) und deren Angehörigen. Und wie sich schwierige Situationen mit Patienten ins Positive wenden lassen.
Was ist für Sie die Basis einer erfolgreichen Arzt-Patienten-Kommunikation?
Ich rate immer dazu, empathisch zu sein und Verständnis für die Probleme und Fragen der Patienten zu zeigen. Wenn ich sage „Ich kann mir vorstellen, dass Ihre PKU Sie ganz schön fordert“ oder, „Ich weiß von anderen Patienten, dass es diesen auch schwerfällt, die Diät einzuhalten“ dann schaffe ich damit ein Klima des Vertrauens. Der Patient begreift, dass es in Ordnung ist, Problem zu haben. Drauf aufbauend kann ich nach dem individuellen Stand der Therapie oder möglichen Hürden fragen. Somit können wir konkret aktuelle Situationen besprechen und an für ihn relevanten Fragestellungen arbeiten. Etwa wie verhalte ich mich bei einem Restaurantbesuch, einer Einladung zum Abendessen oder auf der Klassenfahrt.
Zu was raten Sie Ihren Patienten in solchen Situationen?
Natürlich und offen mit ihrer Erkrankung umzugehen. Das hilft normalerweise, Missverständnissen vorzubeugen. Heutzutage sind viele Patienten mutig und sagen, dass sie nicht alles essen dürfen. Manche müssen dies erst noch lernen. Gut geschult sind fast alle Menschen mit PKU – sie wissen, was sie essen dürfen und was nicht. Manches überholt sich selbst mit der Zeit: So hat kürzlich ein junger Patient berichtet, dass in seinem Freundeskreis kaum noch jemand ‚normal‘ isst. Unverträglichkeiten oder einen individuellen Ernährungsplan zu haben, ist das neue Normal. Der Eine darf kein Gluten essen, der Zweite verzichtet auf Fructose und der Dritte isst Low Carb. In so einer Runde fällt eine Phe-arme Ernährung kaum auf.
Bei welchen nonverbalen Signalen sollten Ärzte aufmerksam werden?
Ich werde hellhörig, wenn ein Patient den Blickkontakt meidet oder nicht in der Lage ist, sich offen dem Gespräch zu stellen. Dann hake ich auf jeden Fall genau nach. Ein weiteres Signal ist natürlich Weinen. Als Psychologin finde ich es grundsätzlich nicht schlimm, wenn ein Patient in Tränen ausbricht. Das kommt vor, wenn eine Familie gerade die Diagnose erfährt oder wenn ein Patient mit einer schwierigen Situation zu kämpfen hat. Weinen ist eine natürliche Reaktion. In diesem Punkt würde ich mir von meinen Kollegen wünschen, offener damit umzugehen. Weitere nonverbale Signale sind große Hektik und Unruhe, sowie depressive Symptome wie Hoffnungslosigkeit. Oder Probleme mit dem Selbstwertgefühl. Hier kann es hilfreich sein, in der Beratung mit den Kindern und Eltern getrennt zu sprechen. Oft benötigen Eltern Tipps und Unterstützung, wie sie ihr Kind konsequent und positiv bestärken können.
Wann ist ein Beratungsgespräch für Sie erfolgreich?
Grundsätzlich haben wir keine objektiven Qualitätskriterien für die Messung von Beratungserfolgen. Ob ein Kontakt gut oder schlecht verlaufen ist, mache ich an subjektiven Kriterien fest. Für mich ist ein Gespräch erfolgreich, wenn die Patientin oder der Patient die Tipps und erarbeiteten Lösungsansätze in den Alltag integrieren kann. Das stellt sich dann im Folgegespräch heraus, was als eine Art Erfolgskontrolle betrachtet werden kann. Wichtig ist, vor allem die positiven Veränderungen zu betonen und zu loben. Langfristig gesehen, sollten Patienten eine optimistische und lösungsorientierte Grundhaltung zu sich und ihrem Leben mit PKU aufbauen. Erfolgreich ist auf jeden Fall, wenn die Patienten wieder kommen.
EU-PAL-00460, Dezember 2022