Das Still-Syndrom hat viele Gesichter – eine einheitliche Empfehlung zur Behandlung gab es bisher nicht. Experten werteten nun zahlreiche Studien zur Autoimmunerkrankung aus und veröffentlichten eine erste Leitlinie.
Der Morbus Still bei Erwachsenen – international als adultes Still-Syndrom (AOSD) – bezeichnet, zählt zu den seltenen Erkrankungen. Schätzungen zufolge sind nur 7 bis 68 von 1 Million Menschen von der entzündlichen Erkrankung betroffen, die auf Autoimmunprozesse und eine Fehlregulation des Immunsystems zurückgeht. Bisher sind es daher hauptsächlich kleinere Untersuchungen und Erfahrungsberichte, die Hinweise auf die optimale Behandlung des AOSD geben. Experten der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie ist es nun dennoch gelungen, eine konsensbasierte Leitlinie zu Diagnose und Therapie des Morbus Still auf der Basis der vorliegenden Evidenz zu formulieren.
Der adulte Morbus Still ist nicht nur selten, er ist im Hinblick auf die klinische Symptomatik auch vielgestaltig. Während manche Betroffene nur eine einzelne Episode der Erkrankung durchmachen, leiden andere neben den akuten auch unter wiederkehrenden oder gar chronischen Beschwerden. Diese können sehr unterschiedlich sein: „Am häufigsten macht sich das AOSD durch wiederkehrendes Fieber, Hautausschlag sowie Gelenkschmerzen und -entzündungen bemerkbar, die hauptsächlich die Knie-, Sprung- und Handgelenke betreffen“, sagt Prof. Stefan Vordenbäumen, Erstautor der Leitlinie. „Die Erkrankung verursacht großen Leidensdruck bei den Betroffenen und es können in seltenen Fällen lebensbedrohliche Komplikationen auftreten.“
Die zahlreichen, aber durchweg kleinen Studien zum AOSD, die für die Leitlinie ausgewertet wurden, geben unterschiedliche Häufigkeiten für die einzelnen Symptome an. „In der Gesamtschau ergibt sich jedoch eine oft charakteristische Kombination aus den führenden Symptomen wie etwa Fieber und ein bestimmter Hautausschlag, die den Weg zur Diagnose weisen“, so Prof. Vordenbäumen weiter. „Typischerweise sind außerdem Entzündungswerte – insbesondere das C-reaktive-Protein- und Ferritinwerte – im Blut stark erhöht. Da weder die Laborwerte für sich genommen noch die Beschwerden ausreichend für die sichere Diagnose dieser Erkrankung sind, müssen andere rheumatische Erkrankungen, Infektionen und Tumorerkrankungen immer ausgeschlossen werden.“
Auch bezüglich der medikamentösen Therapie ist die Datenlage limitiert. „Es existieren keine Studien dazu, wann und in welcher Reihenfolge entzündungshemmende oder immunsuppressive Medikamente gegeben werden sollten“, sagt Prof. Jürgen Braun, Koordinator der Leitlinie. Die zur Verfügung stehenden Berichte deuten jedoch darauf hin, dass sich das akute AOSD zunächst mit Glukokortikoiden ausreichend kontrollieren lässt. Um Nebenwirkungen zu vermeiden, sollte die Glukokortikoiddosis jedoch bald reduziert und die Patienten stattdessen mit anderen Medikamenten – wie etwa Methotrexat und Ciclosporin-A – weiter therapiert werden.
Die Leitlinie stellt die Therapieoptionen in einem Ablaufschema dar. Auch wenn es bislang keine verbindliche Einteilung der AOSD in Schweregrade gibt, kann durch die Leitlinie die Krankheitsaktivität anhand klinischer Zeichen und Laborwerte grob abgeschätzt werden. Zunehmend wichtig sind vor allem biologisch hergestellte Medikamente, die gegen Interleukin-1 gerichtet sind. Auch IL6-Rezeptor-Antikörper kommen zum Einsatz. Die gezielten Antikörpertherapien werden bei schweren Fällen unmittelbar oder nach Versagen anderer Therapiemöglichkeiten verordnet, erläutert Braun. Da diese zum Teil auch schon primär erfolgreich eingesetzt werden, ist zu hoffen, dass es bald auch ausreichende Evidenz für diesen Ansatz geben wird.
Aufgrund ihrer Expertise für Autoimmunerkrankungen sind rheumatologisch tätige Ärzte die zentralen Ansprechpartner für AOSD-Betroffene. „Wir sehen Diagnostik und Therapie des AOSD jedoch als eine grundsätzlich interdisziplinäre Aufgabe“, so die beiden Experten. Die frühzeitige Überweisung zum Rheumatologen sei entscheidend, grundsätzlich erfordere die Erkrankung aber eine individualisierte ganzheitliche Betreuung, so die Autoren.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie e.V. Hier findet ihr die Originalpublikation.
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