Weltweit leiden etwa 5 bis 20 Prozent der Menschen an einem Reizdarmsyndrom. Eine eindeutige Erklärung ist nicht bekannt, wohl aber, dass die Psyche den Darm beeinflusst. Gastroenterologen zeigten, dass Psychotherapie und Antidepressiva die Symptome reduzieren.
Bisher gibt es keine eindeutige Erklärung für das Reizdarmsyndrom. Während einige Patienten eher unter dem IBS-Typ „D“ (Diarrhö) leiden, sind andere vom IBS-Typ „C“ (Constipation, Verstopfung) betroffen. Bei vielen stehen Darmkrämpfe im Vordergrund. Die Betroffenen versuchen, sich mit Spasmolytika (Mebeverin, Butylscopolamin) oder dem Durchfallmittel Loperamid über Wasser zu halten. Unbestritten ist heute, dass psychische Prozesse einen großen Einfluss auf das Reizdarmsyndrom haben. Viele Patienten berichten zum Beispiel davon, dass sie vor wichtigen Terminen von Diarrhöen heimgesucht werden. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass Psychotherapien einen positiven Effekt auf das Reizdarmsyndrom haben. Der Gastroenterologe Alexander C. Ford und Kollegen (St. James’s University Hospital, Leeds, Großbritannien) wollten sich einen genauen Überblick verschaffen und führten ein systematisches Review und eine Metaanalyse zum Thema „Antidepressiva, Psychotherapie und Reizdarmsyndrom“ durch. Sie untersuchten ausschließlich randomisierte, kontrollierte Studien. In allen Studien waren die Patienten über 16 Jahre alt. Die Diagnose basierte entweder auf der Einschätzung des Arztes oder die Patienten erfüllten die diagnostischen Kriterien nach Rom I, II oder III.
Bei den Psychotherapiestudien hatten die Studienteilnehmer entweder eine Psychotherapie oder eine Standardbehandlung bei ihrem Arzt erhalten. Auch Patienten auf der Warteliste dienten als Kontrollteilnehmer. Bei den Medikamentenstudien wurden die Patienten entweder mit Antidepressiva (Trizyklische Antidepressiva (TCA), Selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmern (SSRI)) oder Placebo behandelt. Insgesamt konnten die Autoren 46 Studien auswerten. Es zeigte sich, dass nur die „richtige“ Psychotherapie oder die Hypnosetherapie effektive Wirkungen erzielten. Psychotherapien via Internet, Entspannungsverfahren oder Stressmanagement-Programmen bewirkten keine signifikanten Verbesserungen. Die dynamische Psychotherapie führte bei 77 von 138 Patienten (56 %) zu einer deutlichen Verbesserung der Beschwerden. Im Vergleich dazu war nur bei 40 von 135 Patienten (29,6 %) der Standardtherapiegruppe eine Verbesserung zu verzeichnen. Die kognitive Verhaltenstherapie (CBT) war bei 58 % der Patienten wirksam (204 von 349 Patienten), während nur 36 % (95 von 261 Patienten) der Kontrollgruppe symptomärmer wurden. Die Hypnosetherapie war bei 45 % der Patienten effektiv (64 von 141 Patienten), wohingegen nur 23 % der Kontrollgruppe (31 von 137 Patienten) über Symptomlinderungen berichteten.
Bei der Behandlung mit Antidepressiva gingen die Symptome im Allgemeinen zurück: 56 % der Patienten profitierten (332 von 592 Patienten). In der Placebogruppe ging es nur 35 % der Patienten (178 von 508 Patienten) besser. Wirksam waren die Antidepressiva auch bei der Schmerzsymptomatik: Die Schmerzen ließen bei 52 % der behandelten Patienten (92 von 182) nach, wohingegen in der Placebogruppe nur 46 von 169 Patienten (27 %) Linderung verspürten. Insgesamt werteten die Autoren sieben randomisierte, kontrollierte Studien zum Thema „Antidepressiva und Schmerzen bei Reizdarmsyndrom“ aus. Trizyklische Antidepressiva erwiesen sich bei der Behandlung des Reizdarmsyndroms als ebenso wirksam wie die SSRI: Der Anteil der Patienten mit einer Symptomlinderung lag bei 57 % (TCA) bzw. 54,5 % (SSRI).
Die Studie von Alexander C. Ford und Kollegen macht deutlich, dass psychische Faktoren am Reizdarmsyndrom beteiligt sind. Auch psychische Traumata können mit Dysfunktionen des Darms verbunden sein. Französische Forscher um Anne-Marie Leroi stellten in einer Befragung von 344 sexuell missbrauchten Patienten fest, dass bis zu 40 % dieser Betroffenen an einem Reizdarmsyndrom leiden. Die Prävalenz ist hier also doppelt so hoch wie in der Normalbevölkerung.