Die mittlere Überlebenszeit beim Multiplen Myelom beträgt derzeit nur etwa fünf Jahre. Nun identifizierten Forscher ein Enzym, dass die Krebsentstehung vorantreibt – womöglich ein neuer Ansatzpunkt, um den Krebs noch in der Vorstufe zu bezwingen.
Das Multiple Myelom (MM) ist die zweithäufigste Blutkrebserkrankung und gilt bis heute als nicht heilbar. Ein Team der Technischen Universität München (TUM) und ihres Klinikums rechts der Isar hat nun einen Mechanismus entdeckt, der Hinweise darauf gibt, wann und warum die Plasmazellen aggressiv werden.
Jährlich erkranken in Deutschland etwa 3.700 Männer und 3.200 Frauen an einem Multiplen Myelom. Die Anzeichen und Symptome reichen von Knochenschmerzen über Abgeschlagenheit bis hin zur Benommenheit. Dazu kommen häufige Infektionen, Gewichtsabnahme, Schwäche oder Taubheitsgefühl in den Beinen sowie Probleme mit den Nieren.
Normalerweise helfen gesunde Plasmazellen durch die Produktion von Antikörpern dabei, Infektionen zu bekämpfen. Bei einem Multiplen Myelom sammeln sich jedoch entartete Plasmazellen im Knochenmark an und verdrängen die gesunden Blutzellen. „Anstatt hilfreiche Antikörper zu bilden, produzieren die Krebszellen nun abnorme Proteine, die Komplikationen verursachen können“, erklärt der Leiter der Studie, Prof. Florian Bassermann, Direktor der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin Hämatologie/Onkologie am Universitätsklinikum rechts der Isar der TUM.
In der Vorstufe des Multiplen Myeloms verspüren die Patienten meist keine Symptome. Und auch nicht immer geht die Vorstufe in eine offene Krebserkrankung über. Doch die Wahrscheinlichkeit dafür steigt pro Jahr um ein Prozent. Je länger also die Vorstufe dauert, umso höher ist das Risiko, dass der Krebs ausbricht.
Seit vielen Jahren arbeitet das Forscherteam um Bassermann daher daran, Hinweise zu erkennen, wann sich die Vorstufe in ein Multiples Myelom wandelt und wie man den Übergang verhindern könnte. „Was passiert also, damit Plasmazellen entarten?“, fragt Bassermann. „Erst wenn wir diesen Prozess verstanden haben, können wir neue Ansatzpunkte für die Arzneimittelentwicklung erarbeiten.“ Zusammen mit seinen Kollegen ging Bassermann den Ursachen auf den Grund.
Um neue Möglichkeiten für die Behandlung von MM-Patienten zu finden, machte sich das Team auf die Suche nach neuen Schwachstellen innerhalb des Ubiquitin-Proteasom-Systems (UPS), das für den Abbau von Proteinen zuständig ist. Dieses System umfasst beim Menschen etwa 1.000 Gene und steuert über 80 Prozent aller Zellproteine. Der Krebs benutzt das Ubiquitin-Proteasom-System, um sich zu teilen und zu entwickeln. „Wir vermuten, dass eine Fehlregulation dieser zellulären Abbaumaschinerie die Krankheit antreibt und aufrechterhält.“
Die Forscher interessierten sich dabei besonders für eine bestimmte Klasse von Enzymen, die den Protein-Abbau verhindern können, sogenannte Deubiquitylasen. „Diese haben in letzter Zeit große Aufmerksamkeit als arzneimittelwirksame Enzyme erregt, da sie die Häufigkeit und Aktivität von krebsrelevanten Proteinen regulieren können und aufgrund ihrer Struktur medikamentös gezielt gehemmt werden können “, sagt Onkologe Bassermann.
Er und sein Team konnten nun tatsächlich eine bestimmte Deubiquitylase identifiziert, die für die Entwicklung der Krebszellen verantwortlich sein könnte. Wenn es zulünftig gelingt, diese zu deaktivieren, könnte der Krebs also womöglich noch vor seiner Entstehung gestoppt werden. Die Forscher arbeiten nun aktiv an medizinisch wirksamen Stoffen, die dies bewirken können.
Dieser Artikel beruht auf einer Pressemitteilung der Technischen Universität München. Die Originalpublikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Pawel Czerwinski, unsplash.