Spezialisten für exotische Tiere sind sowieso schon selten. Ein neues Gesetz macht unsere Arbeit als Tierärzte jetzt noch komplizierter. Warum ich mich deshalb mit einer Fisch-Besitzerin an der Autobahnraststätte treffen musste, lest ihr hier.
Auf Exoten oder Fische spezialisierte Tierärzte sind selten und haben oft lange Wege zu ihren Patienten. Leider schafft das neue Tierarzneimittelgesetz Hürden, die unsere tägliche Arbeit für Mensch und Patient zusätzlich erschweren. Hier ein Beispiel aus meinem Berufsalltag als Fachtierärztin für Fische.
Es ist Dienstag und eine aufgeregte Anruferin erklärt mir, dass sie rote Würmer aus dem After ihrer Fische hängen sieht. Sie hat Skalare und Diskus.
Ihre Recherche im Internet hat sie zur richtigen Diagnose geführt: „Fräskopfwürmer“ (Camallanus sp). Auch völlig richtig ist ihre Angst, dass ihre Hellenaschnecken die Behandlung mit den frei im Handel erhältlichen und einigen der verschreibungspflichtigen Präparate nicht sicher überleben werden. Sie ist gut informiert und möchte daher das Präparat Concurat® L 10 %, also Levamisol, einsetzen. Aber: Kein Kollege ist bereit, ihr das abzugeben.
Das wiederum wundert mich nicht und ich erkläre, dass wir Tierärzte nur dann verschreibungspflichtige Arzneimittel abgeben dürfen, wenn wir durch Untersuchung des Tieres eine Diagnose gestellt haben. Die Besitzerin des großen Aquariums lebt 100 km von meiner Praxis entfernt in einer ländlichen Gegend. Ein Besuch mit einem kranken Fisch würde bedeuten, dass sie ca. 4 Stunden für die Hin- und Rückfahrt bräuchte.
Wir einigen uns daher auf eine telemedizinische Beratung, bei der ich mich von der Richtigkeit ihrer Diagnose überzeugen kann.
Angesichts der rechtlichen Situation muss ich die Kundin jedoch enttäuschen. Ich darf ihr das Mittel in der richtigen Menge für ihr Aquarium nicht zusenden. Wir besprechen, dass sie mir eine Adresse von Kollegen mitteilt, die auf meinen Befund und meine Behandlungsempfehlung hin das Medikament abgeben können. Sie sucht sich daher eine Praxis, in der neben Kleintieren auch Exoten behandelt werden, damit das Levamisol dann auch vorrätig sein wird.
Es folgt eine E-Mail mit den Kontaktdaten der Kollegen, sowie zwei Rücksprachen, die die Behandlungsempfehlung und das Levamisol selbst betreffen. Da die Tierbesitzerin auch dorthin eine längere Strecke fahren müsste, wollen die Kollegen ihr ein Rezept für die Apotheke zusenden.
Bis mehrere Apotheken abgeklappert sind, die alle kein Concurat® L10 % oder Levamisol Injektionslösung bestellen können (!!??), ist die Woche um und es wird Montag. Die Fischbesitzerin ruft wieder bei mir an und ist verzweifelt. Wir treffen uns am nächsten Tag an einer Raststätte, da ich zufällig zumindest etwas in ihre Richtung fahre, und ich gebe ihr das Medikament.
Ich erhalte immer wieder die Auskunft, dass unser zuständiges Bundesministerium sich die Therapie von Zierfischen (und anderen Exoten) so oder so ähnlich vorstellt. Eine angemessen schnelle Hilfe bei banalen, für jeden leicht erkennbaren Parasitenerkrankungen, sieht in meinen Augen aber anders aus.
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