Mikroplastik ist überall, auch in uns Menschen – das steht außer Frage. Doch wie gefährlich sind Mikro- und Nanoplastik für unseren Organismus? Genau das haben nun Forscher genauer untersucht.
Die Verbreitung von Mikro- und Nanoplastik in der Umwelt sowie die Aufnahme dieser Partikel in den menschlichen Organismus werden weltweit intensiv erforscht. Eine internationale Arbeitsgruppe des EU-Projekts „PlasticsFatE“ hat unter Federführung von Prof. Christian Laforsch an der Universität Bayreuth die weltweite Forschungsliteratur zu diesen Fragen ausgewertet. Die in der Zeitschrift NanoImpact vorgestellten Ergebnisse zeigen: Hinsichtlich der Risiken für den Menschen gibt es weniger gesicherte Erkenntnisse, als es das breite Spektrum der Veröffentlichungen nahelegen könnte.
Das im April 2021 gestartete Projekt „Plastics Fate and Effects in the human body“ – kurz: „PlasticsFatE“ – ist eines der ersten europäischen Forschungsvorhaben, das sich systematisch mit dem Verbleib und den Wirkungen von Mikro- und Nanoplastik im menschlichen Organismus befasst. Dies sind Partikel, die wenige Millimeter bis hin zu einem Zehntausendstel Millimeter groß sein können. Insgesamt sind 27 Universitäten, Institute und Organisationen aus zehn EU-Ländern am Projekt beteiligt. Für die jetzt erschienene Studie haben sich Forscher aus elf Mitgliedseinrichtungen in Deutschland, Italien, den Niederlanden, Norwegen, Österreich und Spanien zusammengeschlossen.
„Wir wollten zunächst einmal feststellen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit beurteilt wird, dass Menschen in ihrer täglichen Umgebung direkten Kontakt mit Mikro- und Nanoplastik haben. Darauf aufbauend, sind wir der Frage nachgegangen, auf welchen Wegen und in welchen Mengen die Partikel in den menschlichen Organismus gelangen und welche natürlichen Abwehrmechanismen sie dabei möglicherweise überwinden könnten. Schließlich haben wir den aktuellen Stand der Forschung dargelegt, wie sich die Partikel im Organismus ausbreiten und somit ein potenzielles Risiko für die menschliche Gesundheit darstellen können. Bei der Auswertung der einschlägigen Veröffentlichungen haben wir ein besonderes Augenmerk auf die wissenschaftlichen Verfahren gelegt, die zu den publizierten Ergebnissen geführt haben. Dabei sind wir nicht selten auf unzureichende Informationen gestoßen, beispielsweise hinsichtlich der Gewinnung und Aufreinigung von Proben, oder auch auf einen mangelnden Schutz vor Kontaminationen, welche die Untersuchungsergebnisse verfälschen können“, sagt die Erstautorin und Bayreuther Doktorandin Anja Ramsperger.
„Was den Verbleib von Mikro- und Nanoplastik im menschlichen Organismus und die daraus resultierenden potenziellen Gefahren betrifft, zeigt unsere Studie ein differenziertes Bild. Welche Schlussfolgerungen aus veröffentlichten Ergebnissen zur Kontamination von menschlichem Gewebe hergeleitet werden können, ist bei näherer Betrachtung der Untersuchungsbedingungen oft weniger klar, als es auf den ersten Blick scheint. Daher stimme ich der Weltgesundheitsorganisation WHO zu, wenn sie in einem 2022 herausgegebenen Bericht feststellt, dass die derzeit verfügbaren Daten noch unzureichend sind, wenn es darum geht, die Risiken von Mikro- und Nanoplastik für die menschliche Gesundheit einzuschätzen“, sagt Prof. Christian Laforsch, der die Studie koordiniert hat und an der Universität Bayreuth den DFG-Sonderforschungsbereich 1357 Mikroplastik leitet.
Die meisten wissenschaftlichen Arbeiten zur Ausbreitung von Mikro- und Nanoplastik konzentrieren sich auf die Größe und Form der Partikel. Sie lassen dabei aber andere, beispielsweise chemische Eigenschaften unberücksichtigt, die möglicherweise ebenfalls einen Einfluss auf die Auswirkungen der Partikel haben. Viele Untersuchungen arbeiten mit industriell gefertigten Partikeln, hauptsächlich Polystyrol-Kugeln. Doch die in der Umwelt verbreiteten Partikel weisen eine unübersehbare Vielfalt an Eigenschaften auf. Weitgehender Konsens besteht in der Forschung darüber, dass es umso öfter zu Wechselwirkungen mit menschlichem Gewebe und einzelnen Zellen kommt, je kleiner die Partikel sind. Dabei spielen biologische Barrieren eine entscheidende Rolle: Sie hindern größere Partikel daran, weiter in den Organismus vorzudringen.
Die Autoren der neuen Studie weisen allerdings auf eine Ungereimtheit hin. In einigen menschlichen Gewebeproben wurden Partikelgrößen entdeckt, die diese biologischen Barrieren dem derzeitigen Kenntnisstand zufolge nicht überwinden können. Eine plausible Erklärung wären nachträgliche Verunreinigungen der Proben. Tatsächlich enthält die ausgewertete Forschungsliteratur zahlreiche Indizien dafür, dass Maßnahmen zur Qualitätssicherung und Qualitätskontrolle von Proben unzureichend beschrieben oder durchgeführt wurden.
Das Team von PlasticsFatE resümiert in seiner Studie aber auch eine Reihe grundlegender Erkenntnisse, über die heute kein Zweifel mehr besteht: In den meisten Regionen der Erde enthält die alltägliche Lebenswelt der Menschen steigende Mengen von Mikro- und Nanoplastik. Über das Trinkwasser, die Nahrung und die eingeatmete Luft sowie über Kosmetikartikel können die Partikel in den Organismus gelangen. Hauptsächlich werden Mikro- und Nanopartikel vom Menschen über die Atemwege und den Magen-Darm-Trakt aufgenommen.
„Sowohl auf europäischer Ebene als auch im kürzlich verlängerten SFB 1357 Mikroplastik an der Universität Bayreuth werden wir die Wechselwirkungen zwischen Mikroplastik und Organismen in den kommenden Jahren intensiv untersuchen. Unser Ziel sind belastbare Gefahreneinschätzungen, aus denen wirksame Maßnahmen zur Risikominderung abgeleitet werden können. Dabei müssen wir allerdings damit rechnen, dass es langfristige Folgen der Umweltkontamination durch Kunststoffe geben kann, die heute erst ansatzweise erkennbar sind“, sagt Laforsch.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der Universität Bayreuth. Die Originalpublikation findet ihr hier und im Text.
Bildquelle: Naja Bertolt Jensen, unsplash