Pseudomonas aeruginosa ist ein weit verbreiteter gefährlicher Krankenhauskeim. Forschern ist es nun gelungen, die entscheidenden Proteine zu entschlüsseln, die den Erreger gefährlich machen.
Das Bakterium Pseudomonas aeruginosa befällt Atemwege und Lunge und ist von Natur aus gegen zahlreiche Antibiotika resistent. Um künftig besser gegen ihn vorgehen zu können, wird zum Beispiel nach Pathoblockern gesucht. Dabei steht nicht wie bei einer antibiotischen Behandlung das Abtöten des Erregers im Fokus, sondern das gezielte Ausschalten oder Abschwächen seiner krankmachenden Wirkung. Bei einer Infektion mit Pseudomonas aeruginosa ist es unter anderem das blaugrünliche Stoffwechselprodukt Pyocyanin, das zur Entstehung entzündlicher Prozesse beiträgt und gewebeschädigend wirkt.
Könnte man seine Herstellung mittels eines Pathoblockers verhindern, wäre eine Infektion weniger schwerwiegend. Doch dafür müssen zunächst die genauen molekularen Mechanismen verstanden werden, die innerhalb der Bakterienzelle für die Herstellung von Pyocyanin verantwortlich sind.
Dem Forscherteam um Prof. Wulf Blankenfeldt, Leiter der Abteilung „Struktur und Funktion der Proteine“ am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig, ist es nun mithilfe moderner proteinbiochemischer Analyseverfahren gelungen, das Zusammenspiel von Proteinen, die für die Produktion von Pyocyanin notwendig sind, im Detail weiter aufzudecken. Dabei hat er die zentrale Funktion eines Proteins namens PqsE als „Schwarzarbeiter“ aufklären können. Die Studie ist im Fachmagazin Nature Communications erschienen.
Für wen eine Infektion mit Pseudomonas aeruginosa besonders gefährlich ist, erklärt Prof. Blankenfeldt: „Für Personen mit geschwächtem Immunsystem oder schweren Atemwegserkrankungen wie Mukoviszidose oder chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) kann eine Infektion tatsächlich sehr gefährlich und mitunter lebensbedrohlich sein. Als Krankenhauskeim hat es Pseudomonas aeruginosa daher leider zu trauriger Berühmtheit gebracht.“
Was den Erreger für Infizierte besonders gefährlich macht, ist die Fähigkeit Fremdstoffe wie Medikamente gezielt aus seinem Zellinneren auszuschleusen. Auch gehört Pseudomonas aeruginosa zu den Bakterien, die einen Biofilm ausbilden. Daher ist Pseudomonas aeruginosa von Natur aus gegen eine große Zahl von Antibiotika resistent und schwer zu bekämpfen. Die Entwicklung effektiver Pathoblocker, die die Schlagkraft des Erregers eindämmen oder ausschalten könnten, wäre hier tatsächlich ein Segen, so die Forscher.
Eine Variante, um den Erreger zu schwächen wäre es, das gewebeschädigende Stoffwechselprodukt Pyocyanin auszuschalten. Blankenfeldt erklärt welche Rolle die untersuchten Proteine dabei spielen: „Pyocyanin wird erst gebildet, wenn die für die Herstellung erforderlichen Gene abgelesen werden. Und dieser Ableseprozess wird durch ein Zusammenspiel verschiedener Proteine kontrolliert. Im Zentrum steht dabei ein Protein mit dem Kurznamen RhlR. Bekannt war bereits, dass RhlR die Genablesung erst startet, wenn zuvor das Signalmolekül C4-HSL den Startschuss gibt und an RhlR bindet. Doch ob und vor allen Dingen wie in dieser Signalkaskade womöglich noch weitere Proteine ihre Finger mit im Spiel haben, war bisher nicht richtig verstanden.“
„Bereits vor rund 20 Jahren haben mein Team und ich angefangen, uns mit einem Protein namens PqsE zu beschäftigen, das mit der Erzeugung von Pyocyanin in Verbindung gebracht wurde. Wir konnten damals unter anderem seine Kristallstruktur aufklären. Und vor etwa fünf Jahren konnten wir dann in Laboruntersuchungen erstmals Hinweise dafür gewinnen, dass das eigentlich recht instabile Protein RhlR durch Bindung an PqsE stabilisiert wird. Dass PqsE damit womöglich auch direkt in die Aktivierung der Pyocyanin-Gene involviert sein könnte, war für mich seither naheliegend – aber ich konnte es ihm nicht nachweisen“, sagt Blankenfeldt.
Der Durchbruch kam laut der Forscher nun auch mithilfe hochmoderner computergestützter Methoden, die erst vor kurzer Zeit entwickelt wurden. „Früher wäre das so gar nicht möglich gewesen. Wir haben am Computer mit einem Programm aus Israel ein künstliches RhlR-Protein entworfen, das von sich aus stabil ist und gleichzeitig seine volle Funktion bei der Genablesung behalten sollte. Den DNA-Bauplan dafür haben wir dann von einer Firma herstellen lassen und anschließend das künstliche Protein bei uns untersucht. In unserer Studie haben wir getestet, ob das stabilisierte, synthetische RhlR auch in Abwesenheit von PqsE in der Lage ist, die Genablesung zur Herstellung von Pyocyanin zu starten. Und siehe da: Genau das war der Fall!“
In Vergleichsversuchen legten die Forscher dar, dass das natürliche RhlR in Abwesenheit von PqsE die Gene nicht ablesen konnte, und kein Pyocyanin gebildet wurde. Damit konnten sie zeigen, dass für den Ableseprozess ein stabiles RhlR notwendig ist – und dass dafür das Protein PqsE verantwortlich ist, indem es sich mit RhlR zu einem Komplex zusammentut.
Elektronenmikroskopische Aufnahme von Pseudomonas aeruginosa
PqsE wurde aufgrund seiner in Laborversuchen nachgewiesenen Eigenschaften als Enzym in die Gruppe der Thioesterasen eingeteilt. Daher vermuteten die Forscher eigentlich, dass seine Fähigkeiten als Enzym auch im Zusammenhang mit Pyocyanin in irgendeiner Weise zum Tragen kommen würde.
„Doch die stabilisierende Wirkung, die PqsE auf RhlR ausübt, hat überhaupt nichts mit seiner Fähigkeit als Enzym zu tun. PqsE hat uns da tatsächlich ziemlich lange aufs Glatteis geführt. Doch seinen Schwarzarbeiterjob als Stabilisator von RhlR konnten wir nun zum Glück zur Anzeige bringen – und können ihn künftig vielleicht sogar unterbinden“, so Blankenfeldt.
Ob Blankenfeldt und sein Team nun den Stein der Weisen gefunden haben oder den Proteinen und ihren Wirkungen noch weiter auf den Grund gehen, ist für den Forscher schnell beantwortet: „Jetzt wird es ja auch erst richtig spannend. Mit modernen Methoden wie der Proteinkristallographie konnten wir in unserer Studie ja auch den RhlR-PqsE-Proteinkomplex in 3D darstellen. Das ist eine hervorragende Grundlage, um gemeinsam mit unseren Kollegen am HZI nach Wirkstoffen zu fahnden, die diese Interaktion zielgerichtet stören und als Pathoblocker eingesetzt werden könnten.“
So arbeitet das Forscherteam auch bereits an einem Screeningverfahren und hofft darauf, dass mithilfe ihrer Ergebnisse die zukünftige Forschung weiter dazu beitragen kann, Therapieansätze zu finden, die bei Pseudomonas-Infektionen erfolgreich eingesetzt werden können.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung. Die Originalpublikation findet ihr hier und im Text.
Bildquelle: Mikael Seegen, unsplash