„Videospiele sind schlecht für dich!“ – sowas müssen sich junge Gamer oft anhören. Aber was ist dran? Sind Videospiele wirklich schlecht für das mentale Wohlbefinden?
Videospiele sind schuld an der schlechten mentalen Gesundheit der Jugend – Fakt oder Fiktion? Das scheint eine ewige Frage zu sein. Immer wieder befassen sich Studien damit, ob sich die Dauer und Art der gespielten Videospiele auf die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen auswirken. Obwohl seit vielen Jahren der Anteil an Gamern unter den Jugendlichen immer größer wird, bleiben trotz jahrelanger Forschung zu dem Thema immer noch viele Fragen offen.
„Die in den letzten Jahrzehnten erfolgte Verlagerung auf bildschirmgestützte und zunehmend webbasierte Spielaktivitäten hat in öffentlichen Kommentaren und in der Presse Bedenken darüber geäußert, wie sich dies auf die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen auswirken könnte“, erklären Dr. Simona Skripkauskaite et al. in ihrer aktuellen Studie zu jugendlichem Spielverhalten. Aber was ist dran, an den Bedenken?
Die Studie untersucht das Spielverhalten von Jugendlichen zwischen 12–18 Jahren und dessen Auswirkungen auf ihre mentale Gesundheit. Dazu klassifizierten die Forscher unterschiedliche Gamer-Profile anhand der täglichen Spielzeit. Ziel war es, herauszufinden, ob sich gewisse Charakteristika und Erfahrungen darauf auswirkten, in welche Kategorie die Jugendlichen fallen würden.
Die Studie, die in JMIR Pediatrics and Parenting veröffentlicht wurde, ist eine der größten Umfragen zum Thema Gesundheit und Wohlbefinden von Jugendlichen in England. Sie untersuchte das Spielverhalten von 12.725 Jugendlichen. Als Bemessungsgrundlage dienten Selbstauskünfte über die tägliche Computer- und Konsolenzeit sowie die Zeit, die mit Handyspielen verbracht wurde. Außerdem wurden die Game Addiction Scale und die Warwick-Edinburgh Mental Well-being Scale verwendet, um die Gruppe der heavy gamer (mit einer tägliche Spielzeit von über 3,5 Stunden) in Gruppen einzuteilen. Das betrifft fast ein Drittel (31,2 %) der Probanden. Aus den Daten dieser heavy gamer resultierten 6 Spieler-Profile:
Es ist allerdings schwierig, einen Zusammenhang zwischen dem Spielverhalten und dessen Einfluss auf die mentale Gesundheit herzustellen. Wenn ein Spieler mehrere Stunden am Tag mit seinem Hobby verbringt, bedeutet das nicht zwangsläufig, dass dieses Verhalten auch problematisch ist. „Obwohl Studien über die Nutzung von Videospielen oder digitalen Medien traditionell einen negativen Zusammenhang mit dem Wohlbefinden festgestellt haben, gibt es in letzter Zeit immer mehr Belege aus groß angelegten Studien, die zeigen, dass direkte Zusammenhänge zwischen der Zeit, die mit digitaler Technologie verbracht wird, und dem Wohlbefinden oder der psychischen Gesundheit von Jugendlichen entweder gar nicht oder nur in geringem Maße bestehen“, so die Studienautoren.
Bisherige Studien fokussierten sich häufig auf MMOs (massive multiplayer online) oder MMORPGs (massive multiplayer online role-playing games). Diese Studie inkludiert allerdings auch Mobile-Gamer, also Spieler, die hauptsächlich auf ihren Handys spielen. In dieser Demographie sind weibliche Spieler am stärksten vertreten. Die Forscher fanden heraus, dass es gesamtheitlich betrachtet keinen signifikanten Zusammenhang zwischen der mit Videospielen verbrachten Zeit und dem mentalen Wohlbefinden gab.
Wenn man sich die zuvor etablierten Gruppen im Detail ansieht, kommt man aber zu anderen Ergebnissen. Entgegen der Erwartungen, hatte eine lange tägliche Spielzeit sogar überwiegend positive Auswirkungen auf das Wohlbefinden der heavy gamer, die an Computern oder Konsolen spielen. Bei Handyspielern zeigte sich jedoch eine negative Auswirkung auf das Wohlbefinden. Auch die maladaptive Gruppen der Computer- und Konsolenspieler spielten zusätzlich häufig auf ihren Handys. Sie waren meist männlich und berichteten häufiger über Angstzustände, aggressives Verhalten und die Teilnahme an internetbasierten Glücksspielen. Maladaptive Handy-Spieler hingegen waren meist weiblich und waren häufiger Opfer von Missbrauch und Vernachlässigung.
Obwohl viele Jugendliche viel Zeit mit Videospielen verbringen, scheinen die Auswirkungen auf die mentale Gesundheit vernachlässigbar. Oft wirkt sich die längere Spieldauer sogar positiv aus. Trotzdem zeigen etwa 8 % aller heavy gamer potentielle maladaptive Verhaltensweisen. Da diese Jugendlichen aber auch häufiger über Missbrauchserfahrungen und Angstzustände berichten, können die Forscher nicht ausschließen, dass diese Jugendlichen das Spielen als Coping-Strategie für eventuelle traumatische Erfahrungen nutzen und sich dieser Zusammenhang daher ergeben könnte.
„Wir konnten nicht feststellen, ob das individuelle Wohlbefinden Ursache oder Folge der Spielgewohnheiten ist, oder ob es völlig unabhängig davon existiert. Wir sind auch nicht in der Lage zu bestimmen, welche langfristigen Auswirkungen die lange Spielzeit in Zukunft haben wird“, so die Autoren. Weitere Limitationen der Studie sind, dass die Jugendlichen nicht befragt wurden, welche Spiele sie bevorzugen, ob sie auch auf fremden Endgeräten spielen würden und ob sie gemeinsam mit anderen oder alleine, online oder offline spielen.
Bildquelle: Carl Raw, unsplash