Forscher der Charité haben herausgefunden, dass die Gabe eines Mukoviszidose-Medikaments die Überlebenswahrscheinlichkeit bei einer schweren Lungenentzündung erhöhen kann. Was dahintersteckt, erfahrt ihr hier.
Erreger wie SARS-CoV-2 oder Pneumokokken können schwere Lungenentzündungen auslösen. Füllen sich in der Folge die Atemwege mit Flüssigkeit, besteht die Gefahr eines akuten Lungenversagens. Forscher der Charité haben nun die molekularen Zusammenhänge aufgeklärt, die zu den Wasseransammlungen in der Lunge führen. Dabei haben sie einen neuen möglichen Therapieansatz entdeckt, mit dem Lungenentzündungen künftig erregerunabhängig behandelt werden könnten. Ein Wirkstoff, der bei Mukoviszidose eingesetzt wird, zeigte sich in Laborversuchen als wirksam.
Lungenentzündungen sind die häufigste Ursache für ein Lungenödem. Dabei sind Teile der Atemwege nicht mehr mit Luft, sondern mit Flüssigkeit gefüllt, weshalb kein Gasaustausch mehr stattfinden kann. Die Diagnose lautet dann: akutes Lungenversagen. „Trotz modernster medizinischer Methoden versterben auf den Intensivstationen leider mehr als 40 Prozent der Patienten mit akutem Lungenversagen. Das Problem ist, dass antibiotische, antivirale oder auch immunmodulatorische Therapien häufig nicht hinreichend anschlagen“, sagt Studienleiter Prof. Wolfgang Kübler. „Unsere Studie verfolgt daher einen gänzlich anderen, erregerunabhängigen Ansatz: Die Barrierefunktion der Blutgefäße in der Lunge stärken.“ Denn von dort kommt ursächlich die Flüssigkeit eines Lungenödems. Die Lungengefäße werden durchlässig, flüssige Anteile des Blutes strömen in das umliegende Gewebe hinein – und fluten so die Atemwege.
Doch welche molekularen Mechanismen stehen dahinter? Dieser Frage ist das Charité-Forschungsteam um Prof. Kübler nachgegangen, indem es Versuche mit Zellen, Lungengewebe und isolierten Lungen durchführte. Im Fokus stand der Chloridkanal CFTR, der vor allem in den Schleimhautzellen der Atemwege vorkommt. Dort ist er maßgeblich daran beteiligt, den Schleim flüssig zu halten, damit er gut abfließen kann. Die Forscher konnten nun aber erstmals zeigen, dass auch die Zellen der Blutgefäße der Lunge mit CFTR ausgestattet sind und dass sich sein Vorkommen bei Lungenentzündungen drastisch reduziert.
Um herauszufinden, welche Rolle CFTR in den Lungengefäßen spielt und was auf molekularer Ebene passiert, wenn es zum Verlust des Chloridkanals kommt, blockierten die Forscher ihn mit einem Hemmstoff und bestimmten die Menge an Chlorid-Ionen innerhalb der Zelle. Dazu nutzten sie unter anderem ein spezielles bildgebendes Verfahren, das Immunfluoreszenz-Imaging. „Wir konnten beobachten, dass durch die Hemmung von CFTR eine molekulare Kaskade in Gang gesetzt wird, die letztlich dazu führt, dass die Blutgefäße der Lunge undicht werden“, sagt Dr. Lasti Erfinanda, Erstautorin der Studie. „CFTR spielt bei der Entstehung von Lungenödemen also tatsächlich eine ganz zentrale Rolle.“
Fluoreszenzmikroskopisches Bild von Zellen der Lungen-Blutgefäße mit CFTR-Kanal (grün). © Charité | Lasti Erfinanda.
Den Studienergebnissen zufolge sammelt sich durch den Verlust von CFTR in den Zellen Chlorid an, da es nicht mehr hinaustransportiert wird. Durch das Zuviel an Chlorid wird eine Signalabfolge angestoßen, an deren Ende durch einen Kalziumkanal unkontrolliert Kalzium in die Zellen einströmt. „Die erhöhte Kalziumkonzentration führt dann wiederum dazu, dass sich die Gefäßzellen zusammenziehen“, erklärt Prof. Kübler. „Dadurch entstehen zwischen den Zellen aber Lücken – die Blutgefäße werden undicht und es strömt Flüssigkeit aus. Die Chloridkanäle sind also für die Aufrechterhaltung der Barrierefunktion der Lungengefäße ganz entscheidend.“
Die Forscher versuchten anschließend, den Verlust der Chloridkanäle in den Lungengefäßen abzuschwächen. Dazu nutzten sie einen Wirkstoff, der zu den sogenannten CFTR-Modulatoren gehört und aus der Mukoviszidose-Behandlung bekannt ist. „Der Wirkstoff Ivacaftor erhöht die Öffnungswahrscheinlichkeit des Chloridkanals und fördert so den Sekretfluss in den Atemwegen“, erklärt Dr. Erfinanda. „Wir wollten schauen, ob wir damit vielleicht auch in den Zellen der Blutgefäße der Lunge eine positive Wirkung erzielen können.“
Tatsächlich nahm durch den Wirkstoff die Stabilität der Chloridkanäle in den Gefäßzellen zu, da sie durch die Entzündungsprozesse in der Lunge nicht mehr so stark abgebaut wurden. Auch im Tiermodell erhöhte die Behandlung mit Ivacaftor die Überlebenswahrscheinlichkeit bei schweren Lungenentzündungen, es gab weniger Lungenschäden und die Symptome sowie der Allgemeinzustand waren deutlich besser als ohne Medikation. „Dass es so gut funktioniert, damit haben wir tatsächlich nicht gerechnet!“, sagt Prof. Kübler. Er und sein Team möchten nun auf Basis der Studienergebnisse therapeutische Ansätze zur Prävention und Behandlung von schweren Lungenentzündungen zu entwickeln.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Hier und im Text findet ihr die Originalpublikation.
Bildquelle: Andre Benz, unsplash