Egal ob bioresorbierbar, unbeschichtet oder beschichtet, bei koronaren Stenosen werden zunehmend Stents eingesetzt. Während Hersteller immer neue Formen entwickeln, kritisieren Ärzte die Versorgungslage. Profitiert wirklich der Patient oder doch eher das Klinikbudget?
Stents haben sich seit Jahren bei Stenosen und nach Angioplastien bewährt. Medikamentenfreisetzende Systeme (Drug-eluting Stents, DES) wirken Restenosen entgegen, indem sie beispielsweise Sirolimus oder Paclitaxel abgeben. Der nächste Innovationsschritt: Seit Ende 2012 stehen auch in Deutschland biologisch resorbierbare Systeme, sogenannte Bioresorbable Vascular Scaffolds (BVS), zur Verfügung. Ihr Einsatz ist mit der Hoffnung verbunden, dass Koronararterien ihre vasomotorischen Eigenschaften langfristig wieder zurückgewinnen. Bioresorbierbare Stents stabilisieren die Gefäße nur noch über einen bestimmten Zeitraum hinweg und bauen sich dann ab. Jetzt liegen erste Daten zum Vergleich mit konventionellen Systemen vor.
Im Rahmen einer von Abbott Vascular finanzierten, einfach verblindeten, randomisierten Studie traten BVS auf Basis von Polylactat und Metallgitter gegeneinander an. Beide Stents setzten den Wirkstoff Everolimus frei, um Proliferationsprozesse zu vermeiden. Das Team von Patrick W. Serruys, London, rekrutierte 501 Teilnehmer zwischen 18 und 85 Jahren. Sie erhielten BVS oder klassische DES im Verhältnis zwei zu eins. Zu den Resultaten: Nach zwölf Monaten fanden Ärzte in der BVS-Gruppe seltener neue Fälle beziehungsweise Verschlimmerungen einer vorhandenen Angina pectoris (22 versus 30 Prozent). Stentthrombosen traten bei drei (BVS) versus null Fällen (klassische DES) auf. Darüber hinaus kam es zu 17 versus drei schweren, kardialen Ereignissen. Auch erweiterten BVS das Gefäßlumen nicht so stark wie klassische DES. Dies könnte vielleicht auch am Vorgehen liegen, vermutet Serruys in seiner Arbeit. Wie er schreibt, verwendeten die behandelnden Ärzte kleinere Ballons und einen etwas niedrigeren Dilatationsdruck bei den abbaubaren Implantaten. Bleibt als Fazit, dass BVS und DES aus medizinischer Sicht zu ähnlichen Erfolgen führen. Ob Patienten langfristig stärker von bioresorbierbaren Implantaten profitieren, muss sich zeigen.
Konflikte lauern noch an weiteren Stellen. So berichtet die Barmer GEK im „Krankenhausreport 2014“, zwischen 2005 und 2013 habe sich die Zahl an Eingriffen mit beschichteten Stents um 227 Prozent auf 204.400 erhöht. Im letzten Jahr seien bei 61 Prozent aller OPs zur Öffnung verengter Herzkranzgefäße DES verwendet worden. Bypass-Operationen gingen seit 2005 um 24 Prozent zurück. „Beschichtete Stents dürften heute bei der Behandlung verengter Herzkranzgefäße den Standard darstellen. Wir fragen uns allerdings, ob sich dieser Zuwachs ausschließlich medizinisch begründen lässt oder der Preis die Menge der Eingriffe beeinflusst“, moniert Barmer-GEK-Vize Professor Dr. Rolf-Ulrich Schlenker. Ein schwieriges Thema: Kostenträger sparen viel Geld, falls sich Kardiologen für Stents entscheiden und keine Bypässe legen. Gleichzeitig sind die Preise für Implantate stark gesunken. Professor Dr. Eva Maria Bitzer, Mitautorin des „Krankenhausreports“, weist auf weitere Schwachstellen hin: „Bei der Einführung beschichteter Stents hatte man gehofft, mit diesem Eingriff die Re-Interventionsrate zu senken.“ Diese Erwartung habe sich nicht erfüllt – jeder fünfte Patient müsse sich innerhalb von zwölf Monaten einem Wiederholungseingriff unterziehen. Andererseits sei die Sterblichkeit fünf Jahre nach der Implantation beschichteter Stents mit 15 Prozent im Vergleich zu anderen Methoden am geringsten, ergänzt Bitzer.
Entsprechende Einschätzungen blieben bei Ärzten nicht lange unkommentiert. So kritisierte die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK) Aussagen zur Fünf-Jahres-Sterblichkeit. Im Report hieß es, Mortalitäten seien nach Eingriffen mit beschichteten Stents niedriger als nach OPs mit unbeschichteten Stents, Ballondilatationen und Bypass-Operationen. Man könne keine Sterblichkeitszahlen heranziehen, ohne das Risiko zu berücksichtigen, sagen Kardiologen. Sie befürchten, Patienten würden Interventionen mit vermeintlich niedriger Mortalitätsrate verlangen, ohne entsprechende Hintergründe zu kennen. Auch seien bei der Berechnung von Re-Interventionsraten fälschlich sequenzielle Eingriffe mit berücksichtigt worden. Kollegen der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG) fordern „weitere differenzierte Analysen, um leitliniengerechte Behandlung von Patienten sicherzustellen“, denn Stents haben auch ihre Grenzen. DGTHG-Präsident Professor Dr. Jochen Cremer: „Diverse wissenschaftliche Studien zeigen, dass die Bypass-Operation am Herzen insbesondere für Patienten, bei denen alle drei Herzkranzgefäße oder der Hauptstamm des linken Herzkranzgefäßes verengt sind, die Therapie der ersten Wahl und damit die bestgeeignete Behandlungsoption ist.“ Inwieweit 300.000 Stent-Implantationen pro Jahr wirklich die beste Therapie im Sinne eines langfristigen Patientenwohls darstellten, lasse sich derzeit nicht sagen.