Es hat nun wohl jeder mitbekommen: Wichtige Medikamente wie Paracetamol und Ibuprofen sind rar. Wer jetzt aber auf die Idee kommt, Zäpfchen oder Säfte auf eigene Faust herzustellen, dem sei gesagt: Finger weg!
Derzeit dürfen wir in der Rezeptur ja mal wieder so richtig ranklotzen. Zwei Jahre nach dem Herstellen von Flächen- und Handdesinfektionsmittel, das die Rezeptur endlich wieder als Königsdisziplin der PTA aus der Versenkung geholt hat, wird es wieder spannend.
Jetzt ist aber kein schnödes Herstellen von Lösungen gefragt, es geht ans Eingemachte. Was ich schon nicht mehr zu hoffen gewagt hatte – es werden Zäpfchen gegossen! Und natürlich Säfte hergestellt, endlich kann ich bei meinen Schülern rechtfertigen, warum wir hier über die Jahre immer so großen Wert darauf gelegt haben. Fieber und Schmerzen bei Kindern sind nämlich häufig nur mit Paracetamol und Ibuprofen in ebendiesen Darreichungsformen beizukommen und das verlangt schon einiges an handwerklichem Geschick. An Zäpfchen mit Verdrängungsfaktor oder der Münzel-Methode trauen sich Laien naturgemäß und aufgrund fehlender Gießformen nicht ran, bei den Säften sieht es da leider offenbar anders aus.
Es kursieren verschiedene Anleitungen im Internet, wie man zuhause kinderleicht aus Tabletten Säfte herstellen kann, und ich möchte – wie die Bundesvereinigung Deutscher Apothekenverbände – an dieser Stelle ganz herzlich davon abraten! Ich verlinke ganz bewusst keine solcher Seiten, um diese nicht auch noch zu verbreiten, aber wer da ein gesteigertes Interesse hat, der wird im Internet, der allwissenden Müllhalde, ganz bestimmt schnell fündig.
In der Apotheke machen wir uns sehr viele Gedanken über die perfekte Zusammensetzung solcher Säfte und da gehört auch dazu, dass die Aufschüttelbarkeit bewertet und Wert auf die perfekte Sedimentationsgeschwindigkeit des Wirkstoffes gelegt wird. Was bedeutet das? Der Wirkstoff darf bei der Herstellung nicht am Boden der Flasche festkleben („Caking“), sich nicht mit Luft verbinden und oben schwimmen („aufrahmen“) und muss in genau der richtigen Geschwindigkeit nach dem aufschütteln absinken, dass der Patient (oder ein Elternteil) die Dosis so entnehmen kann, dass der Wirkstoff sich noch in der Schwebe befindet. Sinkt er zu schnell ab, ist es nur noch Zufall, wenn während der Entnahme die Dosis stimmt und sich nicht schon die Hälfte davon wieder am Boden befindet.
Zudem stellen wir die Rezepturen in einer möglichst keimarmen Umgebung her (wird regelmäßig per Abklatschprobe vom Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker getestet), so dass nur eine möglichst geringe Menge an Konservierungsmitteln verwendet werden muss. Trotzdem sind diese Säfte dann nur 14 Tage haltbar. Ich will mir nicht vorstellen, wie das Bakterienwachstum aussieht, wenn Mutti den Saft aus zerdrückten Tabletten im Einmachglas geschüttelt herstellt, dann tagelang neben dem Bett stehen hat und ganz einfach mit dem Teelöffel die Dosis entnimmt.
Die Gefahr einer Überdosierung ist riesig, gerade bei den Kleinsten. Und wer weiß, mit welchem Medikament man eine Paracetamol-Überdosis behandelt? Richtig, mit N-Acetylcystein, das derzeit ebenfalls nicht lieferbar ist. Tolle Wurst.
Wer auf die vermeintlich clevere Idee kommt, die Zäpfchen für Erwachsene zuhause zu teilen: lasst es. So etwas ist nur möglich, wenn die Suppositorien in der Apotheke per Handarbeit gefertigt wurden, denn auch hier muss auf die Sedimentation geachtet werden, und die Zäpfchen werden in der sogenannten Cremeschmelze bei 35 °C ausgegossen, damit der Wirkstoff nicht bei zu heißer Grundlage direkt in die Spitze absinkt. So wie die Zäpfchen aus der Industrieproduktion aussehen, würde ich nicht darauf vertrauen, dass es hier ebenso gehandhabt wird, denn diese sind häufig auch blasig und haben Luftlöcher, was bei Handarbeit nicht vorkommt.
Also: Vertraut auf die Wertarbeit aus der Apotheke und stümpert nicht zuhause vor euch hin! Was beim Fliesenverlegen auf eigene Faust maximal schlecht aussehen kann, kann im medizinisch-pharmazeutischen Bereich fatal sein. Die wenigsten kommen zum Glück auf die Idee, selbst zuhause mit dem Skalpell an sich herumzuschnitzen, wenn ein Facharzttermin zu lange dauert. Bitte stellt auch auf eigene Faust keine Medikamente her. Die Folgen einer Vergiftung sind vermutlich schwerwiegender als die Folgen von Fieber. Wendet euch also an eine Apotheke vor Ort (die Internetapotheken halten sich hier natürlich fein raus, denn die können keine Rezeptur), die selbst herstellt, wenn ihr nirgends mehr Fertigarzneimittel bekommt. Nur hier könnt ihr auf die Qualität der Säfte und Zäpfchen vertrauen.
Bildquelle: Clint Patterson, Unsplash