Eine Frau leidet an Atemnot und hustet Blut. Sie berichtet, dass sie in der Nacht im kühlen Freiwasser geschwommen ist. Was ist passiert?
Nach nächtlichem Freiwasserschwimmen wird eine sportlich aktive und gesunde Frau aus England, um die 50 Jahre alt, im Krankenhaus mit Dyspnoe und Hämoptoe vorstellig. Als begeisterte Wettkampf-Langstreckenschwimmerin und Triathletin hatte sie bereits zwei Wochen zuvor bei einem Freiwasser-Event eine erhebliche Dyspnoe erlitten, die sie zum Aufgeben zwang. Einige Tage danach fühlte sie sich zwar atemlos, schwamm jedoch am darauffolgenden Wochenende wieder 3 km im Pool ohne sonderliche Ereignisse.
Eine Woche später führte sie einen Wiederholungsversuch während eines nächtlichen Schwimmwettbewerbs im Freiwasser durch. Nach 300 Metern bekam sie nur noch schwer Luft und hustete Blut, was zur sofortigen Einweisung ins Krankenhaus führte. Die Wassertemperatur lag bei kühlen 17 °C, die Frau trug dabei einen enganliegenden Neoprenanzug. Etwa 6 Stunden zuvor hatte sie ihre COVID-19-Auffrischimpfung (Biontech) erhalten. Sie hatte sonst keine anderen Beschwerden wie etwa Herzklopfen, Präsynkopen oder vorangegangene Infektionen. Auch ihre Vorgeschichte ist unauffällig.
Sie hatte bei ihrer Ankunft im Krankenhaus einen schnellen Herzschlag (100 bpm), Atembeschwerden und einen anhaltenden Husten. Der Blutdruck der Patienten lag bei 138/96 mm Hg und die Körpertemperatur bei 36,5 °C. Eine Röntgenaufnahme des Brustkorbs zeigte ein Lungenödem. Weitere Untersuchungen ergaben, dass Flüssigkeit in den Herzmuskel eingedrungen war – ein Zeichen von Überlastung, das auf ein Myokardödem deutete. Sie hatte jedoch keine strukturelle Herzerkrankung. Die ersten Bluttests zeigten eine Neutrophilie mit erhöhtem Troponin-T und NT-pro-BNP.
Bei der Vorstellung mit Hinweis auf ein Lungenödem. Links: Röntgenbild mit perihilarer Trübung, Kerley-Linien und Luftraumeintrübung in den unteren Bereichen. Rechts: CT-Thorax mit beidseitiger, glasartiger Konsolidierung in den unteren Bereichen. Credit: Oldman et al. (2023)
Die Diagnose der Ärzte lautet: Durch Schwimmen induziertes Immersions-Lungenödem (SIPE). Der zeitliche Verlauf deutet laut den Ärzten darauf hin, dass die jüngste Corona-Impfung in keinem Zusammenhang dazu stand.
Die Patientin erhielt nach Aufnahme ins Krankenhaus eine Dosis Dalteparin. Da die Symptome bereits nach 2 Stunden wieder nachließen, wurde die Frau am nächsten Morgen entlassen. Während der Nachuntersuchungen stabilisierten sich ihr Herzschlag und die Blutewerte. Die Patientin ist wieder gesund und das Lungenödem hat sich aufgelöst. Die begeisterte Schwimmerin wurde entsprechend über Vorsichtsmaßnahmen beraten, wenn sie weiterhin mit dem Freiwasserschwimmen fortfahren möchte.
MRT-Aufnahmen des Herzens. Links: Index-Scan bei Vorstellung mit inferiorer lateraler Spätgadoliniumanreicherung*. Rechts: Nachuntersuchung, die eine Auflösung der inferioren lateralen Fibrose zeigt. Credit: Oldman et al. (2023)
Über SIPE ist bisher wenig bekannt, erklären die Autoren des Berichts. Die erste Beschreibung erfolgte erstmals im Jahr 1989. Die tatsächliche Inzidenz ist schwierig zu erfassen, da Experten davon ausgehen, dass Fälle untererfasst werden. Schätzungsweise liegt die Prävalenz zwischen 1,1 % und 1,8 %. Frauen, Ältere und Menschen mit Bluthochdruck gehören zur Risikogruppe. Auch lange Strecken, kühlere Wassertemperaturen und bereits bestehende Herzerkrankungen sind Risikofaktoren.
Unklar ist auch, wie SIPE tatsächlich entsteht. Rezidive sind vor allem bei Tauchern und Schwimmern häufig und wurden bei 13 bis 22 % berichtet, was auf eine Prädisposition für die Erkrankung hindeutet, schreiben die Autoren. Als Vorsichtsmaßnahme sollte daher nur im langsamen Tempo geschwommen werden, begleitet in wärmeren Gewässern ohne enganliegenden Neoprenanzug. Außerdem empfehlen die Autoren in Fällen einer SIPE auf nichtsteroidale Entzündungshemmer wie Ibuprofen zu verzichten.
Für diejenigen, die zum ersten Mal von den Symptomen betroffen sind, empfehlen die Autoren, das Schwimmen abzubrechen und sofort aus dem Wasser zu steigen, sich aufrecht hinzusetzen und bei Bedarf ärztliche Hilfe zu rufen. Das UK Diving Medical Committee habe bereits Empfehlungen für Taucher veröffentlicht, erklären die Autoren.
Die Originalpublikation findet ihr hier und im Text.
Bildquelle: ALANA MACHADO DE OLIVEIRA, Unsplash