In den ersten zwei Lebensjahren des Menschen entwickeln sich Gehirnmasse und Synapsen rasant. Jetzt haben Forscher diesen Prozess erstmalig mittels hochauflösender Ultraschallsonden genauer beschrieben.
Forscher des Ostschweizer Kinderspitals St. Gallen haben in einem großen Forschungsvorhaben das Wachstum verschiedener peripherer Nerven beim Säugling und beim Kleinkind untersucht. Die Studie zum Wachstum der Nervenwurzeln C5 und C6 wurde im Fachmagazin Brain and Behavior veröffentlicht.
Mittels hochfrequenter Ultraschalltechnik konnten die Forscher zeigen, dass sich der Durchmesser der zervikalen Nervenwurzeln C5 und C6 in den ersten zwei Lebensjahren mehr als verdoppelt und dabei einer logarithmischen Wachstumskurve folgt – analog zur Zunahme der Nervenleitgeschwindigkeit. Zusammen mit weiteren Untersuchungen konnte so gezeigt werden, dass das periphere Nervensystem symmetrisch reift, gleichzeitig für Arme und Beine sowie für proximale und distale Bereiche.
„Mit diesem Wissen können wir in Zukunft Krankheitsbilder bei Kindern, die sowohl die Nervenquerschnittsfläche und die Myelinscheiden als auch die Nervenleitgeschwindigkeit beeinflussen, belastungsarm und kindgerecht untersuchen und besser verstehen“, erklärt Dr. Broser. So sei beispielsweise bei vielen motorischen Entwicklungsverzögerungen bisher nicht erforscht, ob diese auch das periphere Nervensystem betreffen. Auch könne man mit der Methode an frühgeborenen Kindern untersuchen, ob die Myelinisierung im Vergleich mit reif geborenen Kindern verzögert erfolgt.
Die Untersuchung basiert auf moderner Ultraschalldiagnostik mit Hochfrequenzsonden von bis zu 33 MHz. Diese Sonden haben zwar eine geringe Eindringtiefe, dafür aber eine sehr hohe laterale und axiale Auflösung von unter einem Zehntelmillimeter. Erstmalig konnte damit auch die strukturelle Entwicklung des Nervus medianus untersucht werden, da dieser bei Säuglingen nur knapp 1 mm unter dem Hautniveau liegt. Die Ultraschalluntersuchung ist seit vielen Jahren in der pädiatrischen Diagnostik etabliert und für die Kinder ungefährlich und ohne größere Belastung.Korrelation zwischen Alter und Durchmesser des Nervus medianus in den ersten zwei Lebensjahren - Untersuchung mittels hochauflösender Ultraschalltechnik. Credit: DGKN/Philipp Broser
„Die Fortschritte der Ultraschalltechnik eröffnen neue Möglichkeiten für die Forschung und Diagnostik in der Pädiatrie“, betont Dr. Broser. Allerdings berge die neurophysiologische Untersuchung von Kindern auch besondere Herausforderungen. Neuropädiater müssen die Untersuchungstechniken an das Entwicklungsalter anpassen und z. B. für eine Neurographie beim Säugling kleinere Ableit- und Stimulationselektroden verwenden als bei einem Schulkind. Auch die Interpretation der Befunde ist altersabhängig, da sich die Nervenleitgeschwindigkeit aufgrund der Myelinisierung in den ersten zwei Lebensjahren nahezu verdoppelt.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der Deutsche Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und Funktionelle Bildgebung. Die Originalpublikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Hugöl Hälpingston, unsplash