Impfungen gegen Tripper stehen weit oben auf der Wunschliste vieler Experten. Doch die Keime machen es den Forschern nicht leicht. Könnte ein neuer intranasaler Impfstoff die Gonokokken-Wende bringen?
Ein effektiver Impfschutz gegen Gonokokken? Schön wäre es. Im Prinzip ist die Erkrankung eine hoch interessante Kandidatin für eine Schutzimpfung. Neisseria gonorrhoeae ist ein echtes Humanpathogen, das bei Tieren praktisch nicht vorkommt. Und es verursacht mehr als nur ein bisschen Krankheitslast: Schätzungen zufolge erkranken jährlich zwischen 80 und 90 Millionen Menschen weltweit an Tripper, der dritthäufigsten sexuell übertragbaren Erkrankung. In der EU ist es (nach den Chlamydien-Infektionen) sogar die zweithäufigste. In Deutschland ist die Gonorrhoe in Sachsen meldepflichtig. Dort liegt die Melde-Inzidenz aktuell bei rund 20 pro 100.000.
Verglichen mit etwa der Syphilis ist die Gonorrhoe eine vergleichsweise gutartige Erkrankung. Langzeitkomplikationen sind nicht bekannt. Behandelt wird antibiotisch, doch hier gab es zuletzt wiederholt Warnungen: Regional unterschiedlich gibt es teils erhebliche Probleme mit Resistenzen, unter anderem gegen Fluorochinolone und gegen Breitspektrum-Cephalosporine.
Warum also nicht einfach wegimpfen? Wenn es denn so einfach wäre. Die Geschichte der Forschung zu Gonokokken-Impfungen ist eher deprimierend. Einen gewissen Schutz bietet der quadrivalente Meningokokken-B-Impfstoff, wie sich im April 2022 zeigte. Aber hier reden wir nur von einer Risikoreduktion um ein Drittel. Ansonsten: Pleiten, so weit das Auge reicht. Los ging es in den 70er Jahren in Alaska, wo ein Ganzzell-Totimpfstoff in einer kleinen klinischen Studie rein gar nichts brachte.
Im Gefolge wurde mit viel Aufwand ein Impfstoff entwickelt, der sich gegen die Pili der Gonokokken richtete, genauer gegen das Protein Pilin. Der Impfstoff führte zu einer Antikörper-Antwort gegen Gonokokken-Stämme, die genau jenes Pilin aufwiesen, gegen das geimpft worden war. Allerdings zeigte sich, dass Pilin genetisch enorm variabel ist. In klinischen Studien hatte die Impfung keinen Effekt. Auch der Versuch, Impfungen zu entwickeln, die sich gegen das wichtigste Protein der äußeren Gonokokken-Membran, Porin, richten, brachte bisher nicht den erhofften Erfolg.
Neben der genetischen Variabilität der Oberflächenproteine gibt es noch weitere Faktoren, die es schwierig machen, Impfungen gegen Gonokokken zu entwickeln. Zum einen ist die Expression einiger Oberflächenantigene – neben Porin und Pilin sind das noch Lipooligosaccharide (LOS) und das Opacity-Protein (OPA) – sehr variabel. Auch werden die jeweiligen Proteine teilweise vor der Expression auf schwer vorhersehbare Weise rekombiniert.
Dazu kommt, dass die Immunität, die der Körper gegen Gonokokken aufbaut, auch dann nicht sehr ausgeprägt ist, wenn eine Infektion durchgemacht wurde. Und das liegt möglicherweise nicht nur an der Variabilität der Oberflächenantigene, sondern auch daran, dass Gonokokken bestimmte T-Zell-Reaktionen aktiv unterdrücken, die für den Aufbau einer anhaltenden Immunität nötig sind.
Eine neue Impfstofftechnik, die bisher allerdings noch in präklinischen Modellen erforscht wird, könnte einige Probleme lösen, die bisher Gonokokken-Impfungen verhindert haben. Das innovative Impfstoffunternehmen Intravacc hat einen Gonokokken-Impfstoff entwickelt, der über die Schleimhaut aufgenommen wird und der in einer aktuellen präklinischen Studie im Tiermodell einen kompletten Schutz vor Gonokokken-Infektionen erreichte. Die US-Gesundheitsbehörde NIH bzw. deren Unterorganisation NIAID zumindest ist von den Ergebnissen beeindruckt genug, um die Weiterentwicklung des Impfstoffkandidaten mit knapp 15 Millionen US-Dollar zu unterstützen.
Der Impfstoff – Handelsname Avacc 11® – wurde ursprünglich in einer intravaginalen Applikationsform entwickelt. Die aktuelle Publikation hat jetzt eine nasale Formulierung untersucht – unter anderem mit der (nachvollziehbaren) Begründung, dass auch Männer etwas davon haben sollen. Genutzt werden so genannte Outer Membrane Vesicle, kurz OMV. Diese enthalten die meisten der Gonokokken-typischen Oberflächenantigene in ihrer natürlichen Form, also nicht durch Hitze denaturiert oder chemisch inaktiviert. Diese Antigenvielfalt soll dem Problem der Variabilität der Gonokokken entgegenwirken.
Die zweite Besonderheit ist ein weiteres „Set“ an Vesikeln, die mitappliziert werden, nämlich Mikrosphären, in die Interleukin-12 (IL-12) eingekapselt ist. Für IL-12 konnten die Impfstoffentwickler aus den USA zeigen, dass es proinflammatorisch wirkt und eine Th1-gesteuerte, zelluläre Immunreaktion induziert. Das hatte bei vaginaler Applikation im Krankheitsmodell bei einer gleichzeitigen Exposition mit Gonokokken den Effekt, dass die Infektion rasch eliminiert wurde und im Anschluss eine Immunität gegen Reinfektion bestand.
Für den jetzt untersuchten, intranasalen Impfstoff wurden die IL-12-Mikrosphären als Adjuvans genutzt. Und das war im Mausmodell sehr effektiv, wie die Forscher in ihrer in der Fachzeitschrift mSphere der American Society of Microbiology veröffentlichten Arbeit berichten. Die Mäuse –Männchen sowie Weibchen– entwickelten ausreichend hohe Serum-IgG-Titer, und auch IgA im Speichel war nachweisbar. Bei den weiblichen Mäusen fanden sich sowohl IgG als auch IgA in der Vaginalschleimhaut, und zwar in ähnlicher Konzentration wie dies auch bei vaginaler Applikation erreicht wird. Und in den iliakalen Lymphknoten produzierten CD4-T-Zellen nach der Impfung vermehrt Gamma-Interferon, auch das unabhängig vom Applikationsweg in ähnlichem Umfang.
Der große Vorteil der Impfung mit OMV plus IL-12 sei, dass die resultierende Immunität nicht spezifisch für bestimmte Gonokokken-Stämme sei, betonen die Autoren um Prof. Michael Russell von der Universität Buffalo. Im Gegenteil, bisher hätten sie keinen Stamm gefunden, der von den induzierten Antikörpern nicht erfasst worden wäre. Es könnte demnach sein, dass eine Impfung gegen Gonokokken ein ausreichend breites Spektrum an Antigenen abdecken muss, um zu funktionieren. Das soll jetzt weiter untersucht werden, bevor es dann in erste klinische Studien geht.
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