Fit mit nur 20 Minuten Training pro Woche. Fitnessstudios locken Kunden mit einer vermeintlichen Wundermethode – dem Elektromyostimulationstraining (EMS). Neurophysiologen warnen vor unerwünschten Effekten. Das betrifft nicht nur Patienten mit Vorerkrankung.
Beim Elektromyostimulationstraining (EMS) tragen Sportler spezielle Anzüge mit Elektroden. Während des normalen Trainings stimulieren elektrische Impulse zusätzlich die Muskeln. Dass das Konzept einen regelrechten Hype erlebt, liegt auch an einer Marketingstrategie. Große Anbieter locken Existenzgründer mit geringen Investitionen und mit innerbetrieblichen Trainings. Vorkenntnisse scheinen nicht erforderlich zu sein. Grund genug für Ärzte, Patienten eindringlich zu warnen.
DocCheck hat mit Professor Dr. Stefan Knecht gesprochen. Er ist Direktor der St. Mauritius Therapieklinik Meerbusch und Professor für Neurologie an der Universität Düsseldorf. „Besonders Menschen mit Nieren- oder Muskelerkrankungen sind gefährdet“, sagt Knecht. Er warnt vor der Meinung, ohne Vorerkrankung sei das Training harmlos: „Auch völlig Gesunde können sich durch eine Kombination von EMS und muskulärer Ausbelastung gefährden.“ Der Experte warnt auch vor fehlenden Kompetenzen in vielen Studios: „Während Ärzte und Physiotherapeuten in dieser Methode ausgebildet wurden, ist das Personal in Fitnessstudios aber oft nicht ausreichend geschult, um die Belastung richtig einzuschätzen.“
Was sich im Körper abspielt, hat Prof. Dr. Wolfgang Kemmler von der Uni Erlangen untersucht. Zusammen mit Kollegen nahm er 26 Probanden ohne EMS-Erfahrung in eine Studie auf. Bei ihnen führte die Erstanwendung unter Standardbedingungen zum Anstieg der Creatinkinase um das 117-Fache. Es handelt sich dabei um einen Indikator für den Zerfall von Muskeln, bekannt als Rhabdomyolyse. Allerdings beobachtete Kemmler weder Hyperkaliämien noch Hypokalzämien oder ein akutes Nierenversagen. Der Experte sagt: „Inwieweit eine derart hohe Belastung bei vorliegender Nierenschädigung oder -insuffizienz, einschlägigen Medikamenten, Alkohol oder zu niedrigem Flüssigkeitsstatus ebenso kompensiert werden kann, ist fraglich.“ Tatsächlich erweist sich die Studienlage momentan als recht dünn.
Laut Knecht wird beim längerfristigen Training die Stromintensität entsprechend erhöht. Er warnt deshalb vor zu häufigen Besuchen im Studio: „Der geringe Aufwand ist tückisch und kann dazu verleiten, häufiger oder ausgiebiger zu trainieren als empfohlen.“ Wer trotzdem trainieren möchte, sollte auf mehrere Punkte achten:
Der Experte resümiert: „Der Trainingseffekt ist nicht bewiesen und bei falscher Anwendung ist die Methode sogar riskant.“ Deshalb rät Knecht primär zu normalem Fitnesstraining.