Eine Studie zeigt jetzt: Es gibt einen Zusammenhang zwischen übermäßiger Permeabilität im Dünndarm und der diabetischen Rethinopathie. Wie das für die Behandlung künftig interessant werden könnte, lest ihr hier.
Eine der Hauptursachen für die Erblindung Erwachsener ist die diabetische Retinopathie, eine fortschreitende Schädigung der Blutgefäße im lichtempfindlichen Gewebe im hinteren Teil des Auges. Die Quelle dieser Schäden scheint jedoch im Bauch zu liegen – hauptsächlich in einem undichten Dünndarm, so eine in Circulation Research veröffentlichte Studie.
In der Studie wurde Blut von Menschen mit Typ-1-Diabetes und einem Mausmodell des Typ-1-Diabetes verwendet, um die Mechanismen der diabetischen Retinopathie zu untersuchen. Die Ergebnisse zeigen einen Weg auf, wie die Augenschädigung möglicherweise verhindert oder sogar umgekehrt werden kann.
„Unseres Wissens ist dies die erste Studie, in der eine Störung der Darmbarriere mit der Entstehung der diabetischen Retinopathie in Verbindung gebracht wird, und in der auch ein direkter Zusammenhang zwischen der Undichtigkeit des Darms und dem Schweregrad der Retinopathie bei Menschen mit Typ-1-Diabetes hergestellt wird“, so Dr. Maria Grant, Leiterin des Forschungsteams und Professorin für Augenheilkunde an der Universität von Alabama in Birmingham.
Zunächst einmal ist bekannt, dass Typ-1-Diabetes das systemische Renin-Angiotensin-System (RAS) dysreguliert. Das RAS ist ein System von Hormonen und Enzymen, das Blutdruck und andere Stoffwechselveränderungen reguliert. Neben dem systemischen RAS gibt es auch lokale RAS-Netzwerke, die in verschiedenen Geweben wirken.
Ein wichtiges RAS-Enzym ist ACE2, das Angiotensin-konvertierende Enzym 2. Der Verlust von ACE2 bei Diabetes aktiviert die gefäßerweiternde RAS-Achse und verringert die gefäßschützende RAS-Achse. Interessanterweise schützt die Fütterung mit einem modifizierten Stamm von Lactobacillus paracasei, der menschliches ACE2 produziert, in einem Mausmodell für Typ-1-Diabetes die Mäuse vor dem Fortschreiten der diabetischen Retinopathie. Weiterhin ist bekannt, dass ein Mangel an ACE2 im Darm die Durchlässigkeit des Darms und systemische Entzündungen erhöht.
In der aktuellen Studie wurden Menschen mit Typ-1-Diabetes mit Kontrollpersonen verglichen. Die diabetischen Probanden wurden dabei in drei Gruppen eingeteilt: keine diabetische Retinopathie, nicht-proliferative diabetische Retinopathie und proliferative diabetische Retinopathie. Durch die Messung bestimmter Immunzellen und Biomarker im Blut, einschließlich mikrobieller Antigene aus dem Darm, fanden die Forscher heraus, dass Menschen mit Retinopathie ein dysreguliertes systemisches RAS und tiefgreifende Defekte der Darmpermeabilität aufwiesen. Diese aktivierten sowohl Komponenten der adaptiven als auch der angeborenen Immunantwort.
Darüber hinaus wurde festgestellt, dass der Schweregrad der diabetischen Retinopathie mit erhöhten Werten von Biomarkern für die Darmpermeabilität und einem mikrobiellen Antigen im Darm korreliert. Dazu gehörten auch erhöhte Werte von Angiotensin II, welches die vasodeleteriöse RAS-Achse aktiviert.
Im Maus-Typ-1-Diabetesmodells verabreichten die Forscher Akita-Mäusen oral den ACE2 produzierenden Lactobacillus paracasei, und zwar zunächst ab dem Ausbruch des Diabetes. Diese probiotische Behandlung verhinderte den Verlust von ACE2 des Darmepithels, der typischerweise bei Akita-Mäusen zu beobachten ist. Besonders wichtig: Sie verhinderte auch eine Schädigung des Darmepithels und der Endothelbarriere. Sie verringerte weiterhin die Hyperglykämie.
Wurde die orale Behandlung mit ACE2-produzierendem Lactobacillus paracasei bis sechs Monate nach der Entstehung des Diabetes aufgeschoben, kehrte diese verzögerte Behandlung die Störung der Darmbarriere und die diabetische Retinopathie, die sich bei den Mäusen bereits gebildet hatte, um – einschließlich der Verringerung der Anzahl der geschädigten Kapillaren in der Netzhaut.
Grant und Kollegen fanden auch Hinweise auf mehrere Mechanismen, die zu der durch ACE2 verringerten Schädigung der Darmbarriere und der durch ACE2 bewirkten Senkung des Blutzuckerspiegels beitragen. Um die Ergebnisse des Akita/ACE2 produzierenden Lactobacillus paracasei-Modells zu validieren, schufen sie ein zweites Modell: einen genetisch veränderten Akita-Stamm, der menschliches ACE2 in Dünndarmepithelzellen überexprimiert.
„Die Bedeutung dieser Arbeit liegt darin, dass wir gezeigt haben, dass eine dysregulierte intestinale RAS zur Translokation von mikrobiellen Antigenen aus dem Darm in das Plasma führt“, so Grant. „Diese bakteriellen Peptide aktivieren das Endothel über Toll-like Rezeptoren, wodurch ein entzündliches Endothel entsteht, das in der Pathogenese von Gefäßerkrankungen, einschließlich der diabetischen Retinopathie, eine wichtige Rolle spielt.“
„Wir konnten den Verlust der Darmbarrierefunktion bei Menschen mit Typ-1-Diabetes anhand von Biomarkern der Darmbarriere nachweisen, und dieser Anstieg der Permeabilität war mit einer Aktivierung von Immunzellen aus dem Darm verbunden.“
Dieser Artikel beruht auf einer Pressemitteilung der University of Alabama, Birmingham. Die Originalpublikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Jos Speetjens, unsplash.