In der Pferdepraxis hat man es selten mit der Afrikanischen Pferdepest oder dem West-Nil-Virus zu tun. Ganz aus den Augen verlieren sollte man die Erkrankungen aber nicht. Ein kleiner Refresher.
EIA, EVA und AHS (African Horse Sickness/Afrikanische Pferdepest). West-Nil-Fieber, Hendra und Rotz. Selbst mit den hierzulande bekanntesten Seuchen hat man in der Pferdepraxis doch eher selten Berührungspunkte. Wirklich auskennen muss man sich damit nicht – die sind doch eh alle ausgerottet oder kommen hier nicht vor. Ist das wirklich so?
Ganz stimmen tut das so leider nicht (mehr). Grade in den vergangenen Jahren kommen immer wieder Fälle von verschiedenen Pferde-Tierseuchen in Deutschland vor. Im Ernstfall sollte man also die gängigen Erkrankungen und ihre Symptome im Hinterkopf haben, um schnell handeln zu können. So konnte bisher die Ausbreitung dieser fatalen Krankheiten größtenteils vermieden werden. Daher möchte ich hier einen kleinen Überblick über die wichtigsten Krankheiten geben und ein paar Ressourcen anbieten, mit denen man auf dem Laufenden bleiben kann.
Mit Hendra-Viren hat man in Deutschland bisher nur im Sicherheitslabor der Stufe 4 zu tun. Diese Paramyxoviren nutzen Flughunde als Reservoir und können dann über kontaminierte Früchte auch Pferde und Menschen infizieren (mehr dazu hier). Fieber, Atemwegssymptome und zentralnervöse Störungen zählen zu den häufigsten klinischen Symptomen. Bisher trat die Erkrankung nur in Australien auf und damit das auch so bleibt, sollten Importpferde aus Australien auf Antikörper gegen das Feldvirus getestet werden. Ein Marker-Impfstoff ist vorhanden, wird aber derzeit in Deutschland noch nicht benötigt.
Ähnlich selten ist seit mehreren Jahrzenten der Rotz in Deutschland geworden. 2015 wurde das erste Mal seit Jahren ein Pferd positiv getestet und daraufhin euthanasiert. In anderen Ländern außerhalb Europas ist die Krankheit noch bei weitem nicht so gut unter Kontrolle wie hierzulande. Daher ist es auch hier bei Importen aus betroffenen Regionen in Afrika, Asien und Südamerika ratsam, eine Blutuntersuchung auf Antikörper zu machen.
Gleiches gilt für die Afrikanische Pferdepest oder kurz AHS. Ein Bluttest auf Antikörper beim Import von beispielsweise Zebras, die häufig subklinische Reservoirwirte sind, sollte vorliegen. Bricht die Erkrankung in Ländern ohne Durchseuchung aus, liegt die Letalität bei bis zu 95 %. Da das Virus über Culicoides Gnitzen übertragen wird, ist eine Ausbreitung wie beim Blauzungenvirus dank der zunehmenden Klimaerwärmung nicht ausgeschlossen. Für den Fall eines Seuchenausbruchs wurde in der EU eine Impfstoffbank angelegt. Der verfügbare Impfstoff ist gegen alle 9 derzeit bekannten Serovare wirksam.
Nun, zugegebenermaßen, diese Seuchen sind in Deutschland sehr selten. Anders sieht das allerdings für EIA, West Nile und EVA aus.
Angefangen bei West Nile: Das Virus stammt, wie der Name vermuten lässt, ursprünglich aus Afrika. Neben dem Pferd können auch Vögel und Menschen infiziert werden. Überträger sind Culex Stechmücken, genauer Culex pipens und Culex modestus. Das Virus tritt in Süd- und Südosteuropa bereits vermehrt auf. Allerdings häufen sich die Infektionen auch in Deutschland von Jahr zu Jahr. Daher existiert seit 2018 eine Impfempfehlung der STIKO Vet für Pferde, die in den betroffenen Regionen (aktuell Berlin, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Sachsen) in Deutschland leben, bzw. dorthin zu Turnierzwecken verbracht werden.
Verbreitung von West Nile in Deutschland, Credit: FLI
Empfohlen wird, eine Grundimmunisierung mit einem der drei zugelassenen Impfstoffe zu Beginn der Mückensaison im Frühjahr abgeschlossen zu haben und dann auch einmal pro Jahr im Frühling zu boostern. Viele Pferde bleiben bei einer Infektion symptomlos. Allerdings besteht die Möglichkeit, dass eine neurologische Verlaufsform wie bei Herpes auftritt. Diese hat eine Letalität von 30–50 % und ist in einem Fünftel der Fälle mit bleibenden Schäden verbunden.
Seltener als West Nile tritt die EIA oder equine infektiöse Anämie in Deutschland auf – allerdings gibt es immer wieder Ausbrüche. In der Regel können diese auf bereits vor dem Import erkrankte Pferde aus Endemiegebieten wie Osteuropa oder Südamerika zurückgeführt werden. Daher ist auch hier vor dem Verbringen von Pferden aus entsprechenden Regionen ein Nachweis von Antikörpern, sowie je nach Land auch eine Quarantäne, von Nöten. Große Stechinsekten übertragen das Virus in einem Umkreis von mehreren hundert Metern. Da die Krankheit unheilbar ist, bleiben die Pferde lebenslange Virusausscheider. Auch, wenn sie keine Symptome zeigen. Im Falle eines positiven Befundes werden die Tiere daher euthanasiert und Seuchenschutzmaßnahmen treten in Kraft.
Schließlich gibt es noch EVA bzw. die equine virale Arteritis. Hier stehen besonders Zuchthengste auf EU-Besamungsstationen im Fokus, denn diese werden nach einer Infektion potenziell zu Dauerausscheidern, unter anderem über ihr Sperma. Dies ist besonders problematisch, da die Erkrankung durch Infektion des Fötus Spätaborte vom 3. bis 10. Monat auslöst. Hengste, die Dauerausscheider sind, werden daher nicht mehr auf EU-Besamungsstationen eingesetzt und das Sperma darf nicht mehr international vermarktet werden. Eine Impfung ist grundsätzlich möglich, allerdings sind die erzeugten Antikörper nicht vom Feldvirus differenzierbar. Viele Länder verlangen vor dem Import von Sperma eine Vorlage eines negativen EVA-Tests. Die Impfung von Deckhengsten ist daher oft schwierig. Eine Vorlage negativer Antikörpertests, die vor der Impfung im Equidenpass dokumentiert wurden, ist unter Umständen möglich. Allerdings wird auch das nicht von allen Ländern akzeptiert.
Obwohl Herpes laut Einschätzung des BMEL keine meldepflichtige Tierseuche ist, möchte ich abschließend noch einen kleinen Blick darauf werfen. Ich denke an kaum einem Menschen in der Pferdeszene ist der Herpes-Ausbruch im Jahr 2021, beginnend in Valencia, vorbei gegangen. Es folgte ein regelrechter Sturm auf Herpes Impfstoffe, da viele Besitzer ihre Pferde trotz STIKO Vet Empfehlung aus verschiedensten Gründen nicht gegen Herpes immunisieren. Ausverkaufte Impfstoffe waren – neben vielen erkrankten Pferden – auf der ganzen Welt die Folge.
Dies hat die FN (Fédération Équestre Nationale, Deutsche Reiterliche Vereinigung) veranlasst, die LPO (Leistungs-Prüfungs-Ordnung, Regelwerk im Pferdesport) betreffend einer Herpes-Impfpflicht für alle Turnierpferde zu novellieren. Seit Beginn dieses Jahres dürfen also nur noch Pferde mit gültigem Impfschutz auf FN-Turnieren starten. Es gab eine Übergangsfrist von anderthalb Jahren, um den Firmen genug Zeit zu geben, ausreichend Impfstoff zu produzieren und auch den Reitern genug Zeit einzuräumen, ihre Pferde in Ruhe Grundimmunisieren zu lassen. Jetzt heißt es abwarten, ob diese Maßnahme Katastrophen wie in Valencia in Zukunft verhindern kann.
Zusammenfassend kann man sagen, dass wir aktuell trotz der immer weiter steigenden Temperaturen und vermehrter Pferdein- und -exporte noch gut dastehen. Dies ist dem schnellen Handeln von Praktikern zusammen mit den Veterinärämtern zu verdanken. Wir können mit dem Blick auf andere Länder und Kontinente nur hoffen, dass das auch noch länger so bleibt. Im Zweifel bleibt daher die Devise, lieber einen Test zu viel, als einen zu wenig machen, wenn ein begründeter Verdacht besteht.
Erkrankung
Anzeigepflicht
Meldepflicht
Impfung erlaubt
Hendra
Ja
Nein
Bisher nicht reguliert, da Hendra in DE noch nicht vorkommt
Rotz
nein
AHS
Nein, aber EU-Impfstoffbank für Seuchenfall vorhanden
West Nile
EIA
EAV
Herpes
Aktuelle Fallzahlen zu Tierseuchen findet ihr im Radarbulletin des FLI und im Tierseucheninformationssystem (TSIS).
Quellen:
Bildquelle: Annika Treial, unsplash