Obwohl Asthma-Patient*innen häufig nicht ausreichend kontrolliert sind, bekommen Behandler*innen im Arzt-Patienten-Gespräch oftmals keine klare Auskunft über die Asthma-Kontrolle. Warum das so ist und mit welchen Fragen Sie ein besseres Bild erhalten, haben wir im Interview mit PD Dr. Andreas Jähne, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und Ärztlicher Direktor der Fachklinik Rhein-Jura in Bad Säckingen, analysiert.(Bildrechte© Felix Groteloh)
Asthma-Patient*innen sind häufig nicht ausreichend kontrolliert. Im Gespräch mit Behandler*innen kommt dies aber nicht immer zur Sprache. Was könnten die Ursachen sein?
Dr. Jähne: Scham. Viele Patient*innen haben Angst, ertappt zu werden. Sie machen sich Vorwürfe, dass sie das Empfohlene nicht umgesetzt haben und wollen dies gerne verheimlichen. Sie gehen lieber zum Arzt und holen sich Folgerezepte und behaupten, dass alles gut sei. Deswegen ist das Thema Empathie und Vertrauen so wichtig. Die Patient*innen müssen das Gefühl haben, dass sie auch mit ihren Fehlern zum Arzt oder zur Ärztin kommen dürfen. Die Behandelnden wissen, dass sich die Empfehlungen nicht immer sofort umsetzen lassen. Aber sie müssen wissen, wo das Problem ist. Dann kann gemeinsam nach einer Lösung gesucht werden.
Eine andere Ursache kann das mangelnde Verständnis sein. Haben die Patient*innen wirklich verstanden, was sie tun müssen? Sie werden sich wundern, wie wenig von dem ankommt, was Sie erklärt haben. Es genügt nicht zu sagen: „Mach das!“ Es lohnt sich noch mal nachzufragen: „Was von dem, was wir besprochen haben, haben Sie noch im Kopf?" Es kann gut sein, dass sie ganz viel vergessen haben. Dann kann es hilfreich sein mit Booklets oder Kalendern zu arbeiten, in denen man Dinge markiert. Medikamenten-Pläne oder Tagebücher sind auch hilfreich.
Was können Behandler*innen tun, damit sie nicht nur ein „alles okay“ bekommen, sondern dass Patient*innen wirklich die Wahrheit sagen?
Dr. Jähne: Anstatt einfach offene Fragen zu stellen wie: „Ist alles okay? Wie läuft es gerade?“ Empfiehlt es sich konkreter nachzufragen: „Wie oft haben Sie inhaliert? Wie war es das letzte Mal? War in den letzten zwei Wochen irgendwas anders? Erzählen Sie mir mal, wie ist das so am Tag? Wie oft pro Woche passiert...?“ Dann müssen die Patient*innen nachdenken. Sie müssen Dinge begründen und können nicht so leicht die Frage abtun. Es können auch geschlossene Fragen sein: „Haben Sie weniger Anfälle? Wann war Ihr letzter Anfall? War der genauso schlimm wie vorher? Hat sich in dieser Jahreszeit, jetzt, wo die Pollen fliegen, irgendwas verändert? Wie kommen Sie durch die Nacht?“ Solche Dinge bewusst nachfragen und eher Fragen stellen, die nicht mit Ja oder mit Nein zu beantworten sind.
Haben Patient*innen mit chronischen Erkrankungen wie Asthma spezielle Bedürfnisse an das Gespräch, um offen reden zu können?
Dr. Jähne: Die Patient*innen wollen menschliche Hilfe. Sie kommen nicht, weil sie das neueste Betamimetikum möchten o.ä. Ich begegne den Patient*innen zwar als Experte der Wissen hat, aber letztlich als Mensch einem Menschen. Ich kann bei einer chronischen Erkrankung auch mal realistische Hoffnung machen: „Es wird nicht alles gut, aber wir können was dafür tun, dass Sie besser durch den Tag kommen. Oder dass Sie die drei Stockwerke besser hochkommen.“ Das Wichtigste, was Menschen brauchen, ist Hoffnung. Diese Hoffnung kann ich bedienen, wenn ich sie auch habe. Eine Verbesserung muss realistisch erreichbar sein.
Wie kann man es schaffen, dass Patient*innen lernen, die Kontrolle ihres Asthmas besser zu dokumentieren? Kann eine Art Tagebuch helfen?
Dr. Jähne: Die Patient*innen müssen erst mal verstehen, warum sie das machen müssen. Es muss für sie eine Bedeutung haben, weil Sie von ihnen primär etwas verlangen, was Mühe macht. Sie müssen zum Beispiel diese Dokumentation immer wieder angucken. Das Schlimmste ist, eine Hausaufgabe aufzugeben, die niemanden interessiert. Dann wird es nicht gemacht. Sie müssen das kontrollieren. Man muss mit dem Tagebuch arbeiten, dann bekommt es für die Patient*innen auch eine Bedeutung, ansonsten werden sie das Tagebuch nicht ausfüllen. Welches Medium geeignet ist, hängt vom Patienten oder der Patientin ab: z.B. eine App oder eine Papierversion oder auch ob man jeden Tag etwas notiert. Es macht auch einen großen Unterschied, ob man nur ein Event-Tagebuch führt und nicht nur notiert, wann der letzte Asthmaanfall war, sondern was vorher war, was der Auslöser war etc. Ein Tagebuch muss für Patient*innen im Alltag händelbar sein.
Das Interview in voller Länger
Sie möchten sich auch die ersten beiden Teile des Interviews mit Dr. Jähne noch einmal durchlesen? Zum ersten Teil des Interviews mit Dr. Jähne gelangen Sie hier. Den zweiten Teil können Sie hier lesen.
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