Noch immer ist die Hypospadie penis die häufigste angeborene Fehlbildung des männlichen Genitals. Aktuelle Ergebnisse zeigen jetzt: Umweltfaktoren wie Giftstoffe könnten eine entscheidende Rolle bei der Entstehung spielen.
Die alarmierende Zunahme der häufigsten Genitalfehlbildung bei männlichen Säuglingen – Hypospadie penis – ist wahrscheinlich auf Umweltfaktoren wie die Exposition gegenüber Giftstoffen zurückzuführen, die die epigenetische Programmierung des sich bildenden Penis verändern. Dies geht aus einer Studie hervor, die in Science Reports veröffentlicht wurde. Darin zeigte sich ein direkter Zusammenhang zwischen Hypospadie-Gewebeproben und dem Vorhandensein epigenetischer Veränderungen. Umgekehrt wurden in Penisgewebeproben aus der Vorhaut gesunder Babys ohne Hypospadie keine epigenetischen Veränderungen gefunden.
Diese Ergebnisse helfen bei der Beantwortung der seit langem bestehenden Frage nach der Häufigkeit und den möglichen Ursachen einer Hypospadie, bei der sich die Öffnung der Harnröhre an der Unterseite des Penis statt an der Spitze befindet. „Frühere Forscher haben umfangreiche Analysen durchgeführt und keine genetischen DNA-Sequenzmutationen gefunden, die mit dem Vorhandensein der Krankheit korrelieren, so dass es immer ein großes Fragezeichen bezüglich der Ursache gab“, sagt Michael Skinner, korrespondierender Hauptautor der Studie und Professor für Biologie an der Washington State University. „Unsere Studie zeigt, dass die Ätiologie der Krankheit durch die Epigenetik umweltbedingt ist und nicht durch Veränderungen in der DNA-Sequenz. Das gibt uns ein klareres Bild davon, was vor sich geht.“ Die Forschung könnte zu einer früheren Erkennung und besseren klinischen Behandlung der Hypospadie führen, deren Prävalenz in den letzten Jahrzehnten um 11,5 % gestiegen ist.
Ein möglicher Weg wäre die Identifizierung eines spezifischen epigenetischen Biomarkers, sodass mittels Wangenabstrich von den Eltern die Wahrscheinlichkeit einer Hypospadie beim Neugeborenen bestimmt werden könnte. „Das ist gar nicht so weit hergeholt“, sagte Skinner. „Wir haben diese Art von Biomarkern für andere Krankheiten identifiziert. Eine frühzeitige Erkennung bedeutet, dass die klinische Behandlung früher erfolgen kann, was zu weniger Komplikationen für das Baby und mehr Seelenfrieden für die Eltern führen könnte.“ Eine wichtige Frage, die noch beantwortet werden muss: Welche Umweltfaktoren (vor allem Giftstoffe) fördern die epigenetischen Veränderungen, die eine Hypospadie verursachen?
Ein möglicher Schuldiger ist ein Arzneistoff namens Diethylstilbestrol (DES), der in den späten 50er und frühen 60er Jahren verwendet wurde, um Frauen die späten Phasen der Schwangerschaft zu erleichtern. „Es gab nie wirklich Beweise dafür, dass es bei der Schwangerschaft half, aber im Nachhinein stellten die Ärzte schwere Auswirkungen des Medikaments auf die Entwicklung der Babys fest. Hypospadien waren eines der Probleme“, sagt Skinner. „Da epigenetische Veränderungen, die durch Medikamente wie dieses und andere Umweltgifte verursacht werden, epigenetisch vererbbar sind, werden sie leider oft von einer Generation an die nächste weitergegeben. Mit der Zeit können sich die schädlichen Auswirkungen fortsetzen und ausbreiten.“
Ein weiteres interessantes Ergebnis der Studie war, dass Gewebeproben mit leichten Fällen von Hypospadie ein höheres Maß an epigenetischen Veränderungen aufwiesen als Gewebeproben mit schwereren Formen der Krankheit. „Dies deutet darauf hin, dass Zellen mit wirklich schweren epigenetischen Veränderungen wahrscheinlich absterben und nicht überleben, während bei einem leichten Fall von Hypospadie viele dieser kranken Zellen noch am Leben sind“, so Skinner. „Das gibt uns neue Einblicke in die Art und Weise, wie die epigenetische Kontrolle die Gewebeentwicklung beeinflusst.“
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der Washington State University. Die Studie haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: charlesdeluvio, Unsplash