Noch ein akademischer Gesundheitsberuf: Physician Assistants sollen Ärzte entlasten. Aber was machen sie eigentlich? Und werden PAs wirklich gebraucht, oder drängen sie andere Fachgruppen aus ihren Feldern?
Ärzteschaft, Pfleger, Apotheker: Alle gesundheitsbezogenen Fachgruppen kämpfen mit zu wenig Personal und der Fachkräftemangel wird zusehends schlimmer. Die flächendeckende gesundheitliche Versorgung ist schon lange nicht mehr so machbar, wie wünschenswert wäre. Klinikpersonal streikt, Landarztpraxen schließen und das Pflegepersonal ist am Ende seiner Kräfte. Keine guten Aussichten für das deutsche Gesundheitssystem. Es braucht also mehr Fachkräfte, an allen Ecken und Enden. Warum können sich dann Berufsgruppen wie der Physician Assistant (PA) nicht besser im gesamtgesundheitlichen Kontext etablieren?
In den USA und den Niederlanden ist der Physician Assistant nicht mehr aus dem klinischen Alltag wegzudenken. Auch in Deutschland gibt es den Beruf bereits seit 2008. Noch nie davon gehört? Woran das liegen könnte, erklärt Patrick Klein, stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Physician Assistants, im Gespräch mit DocCheck: „In Deutschland wird seit über 17 Jahren trotz positiver Erfahrungen in Kliniken und Praxen weiterhin über Sinnhaftigkeit, Delegation vs. Substitution und die Übernahme von ärztlichen Leistungen kontrovers diskutiert. Als Diskussionspunkt werden Aufgaben aufgeführt, welche aus deutscher ärztlicher Sicht nicht an andere Berufsgruppen delegiert werden können.“
Das Problem: Es gibt bisher kein Gesetz, das eindeutig festlegt, welche Aufgaben PAs übernehmen dürfen. Natürlich gibt es Tätigkeiten, die unter den gesetzlich normierten Arztvorbehalt fallen oder einen Kernbereich der ärztlichen Tätigkeit darstellen. Diese können und sollen nicht an PAs delegiert werden. Aber zwischen diesen Tätigkeiten gibt es eine ganze Menge an vor- und nachbereitenden sowie kommunikativen und dokumentarischen Arbeiten, die Physician Assistants erledigen könnten. „Schlussendlich muss also der Arzt bei der durchzuführenden Tätigkeit die Gefahren abwägen, die Qualifikation des PA berücksichtigen und entsprechend dafür haften. Demgegenüber steht der PA mit der entsprechenden Übernahme- und Durchführungsverantwortung“, so Klein.
Da stellt sich natürlich die Frage, welche Aufgaben denn konkret an PAs abgegeben werden können – und inwiefern dieser zwar nicht mehr neue, aber noch nicht vollkommen etablierte Beruf zu anderen assistierenden Fachgruppen abgegrenzt werden muss. Ein weiterer Diskussionspunkt: Die Akademisierung der Gesundheitsberufe. Bereits jetzt nimmt die Akademisierung der Pflege einen großen Stellenwert in Diskussion rund ums Gesundheitssystem ein. In Deutschland gibt es aktuell über 140 Pflegestudiengänge –aber knapp 50 % der Plätze bleiben leer.
Einerseits soll die Akademisierung den Pflegeberuf attraktiver machen sowie mehr Aufstiegschancen und bessere Gehälter sicherstellen. Andererseits gibt es jetzt schon einen Pflegemangel und die Einstiegshürde für das Berufsfeld zu erhöhen, wird nicht immer als Schritt in die richtige Richtung gesehen. Physician Assistants, also „Arztassistenten“ (nicht zu verwechseln mit dem Assistenzarzt), könnten mit einem differenzierten Berufsbild genau diese akademisierte Verbindung zwischen Pflege und Ärzteschaft sein. Sie übernehmen – wie der Name bereits verrät – auch keine pflegerischen, sondern deligierbare ärztliche Tätigkeiten.
„Der PA kann auch einen positiven Einfluss auf die Pflege haben“, sagt Physician Assistant Hendrik Bollen, Gründer von PA Blog, im Gespräch mit DocCheck. „Eine zusätzliche Position im Gesundheitsbereich soll natürlich ein Benefit für alle Berufsgruppen sein. Und das ist der Physician Assistant auch – diese Rückmeldung bekommen wir sowohl politisch als auch im Beruf selbst.“ Es muss aber immer noch viel passieren, damit sich die Berufsgruppe auch in Deutschland etablieren kann.
„Wir haben noch immer keinen festen Tarifvertrag und kein Berufsgesetz. Außerdem sind wir eine vergleichsweise junge und kleine Berufsgruppe. Trotzdem sehe ich enormes Potential und auch großen Bedarf. Aber natürlich müssen in vielen Bereichen die entsprechenden Strukturen erst geschaffen werden“, so Bollen. Auch sei der Beruf unter medizinischen Fachgruppen noch zu unbekannt. Bereits 2018 berichtete DocCheck über einen der ersten PAs. Die Skepsis der ärztlichen Kollegen habe sich bis heute nicht unbedingt geändert – dennoch würden immer mehr Kliniken die Vorteile des PAs erkennen. „Oft ist es so, dass Berufsgruppen, die noch nicht mit einem PA zusammengearbeitet haben, Angst vor dem Beruf haben. Angst, dass er die Arbeit wegnimmt. Angst, dass die Versorgung schlechter wird. Angst, dass die Weiterbildungen der Ärzte gefährdet ist – das sind unbegründete Ängste. PAs nehmen niemandem die Arbeit weg, da genug Arbeit für alle da ist“, versichert Klein. „Denn wenn der PA erst mal im Team integriert ist, ist er nicht mehr wegzudenken. Dieses Feedback bekommen wir sehr häufig. In der Praxis sehen wir, dass mehr delegiert werden kann, als man anfänglich für möglich hielt.“
Ein großer Unterschied zum restlichen Klinikpersonal und sowohl aus ärztlicher als auch Patientensicht ein großer Vorteil: PAs arbeiten nicht im Schichtdienst. Sie sind in festen Schichten auf festen Stationen feste Ansprechpartner – für Ärzte, Pflegepersonal und Patienten. So könnten sie wichtige administrative Aufgaben übernehmen und als niederschwelliger Ansprechpartner für alle Beteiligten agieren. Aktuell werden PAs überwiegend in Kliniken eingesetzt. Aber auch in Landarztpraxen könnten sie eine helfende Hand bieten. Da es aber erst wenige PAs gibt, gibt es auch in Landarztpraxen noch wenige Beispiele. Die kassenärztliche Vereinigung Westfahlen-Lippe hat beispielsweise in einem Pilotprojekt PAs in 11 Praxen in Westfahlen-Lippe eingesetzt. Sie werden aktuell zwei Jahre lang begleitet, um herauszufinden, wo und wie PAs die Versorgungsqualität in Arztpraxen steigern könnten.
„Es gibt auch Ärzte, die jahrelange Alleinkämpfer in ihren Praxen waren. Für die ist es natürlich schwierig, etwas an jemanden anderen abzugeben. Da gehört Vertrauen dazu und man muss in der Praxis zusammen an so einem Projekt wachsen“, so Klein. Das sei nicht immer leicht. Junge Ärzte, die jetzt ihre Selbstständigkeit starten, hätten aber deutlich weniger Berührungsängste und weniger Probleme damit, Aufgaben an PAs zu delegieren.
„Wir rollen auf Herausforderungen im Gesundheitssystem zu, welche wir nur gemeinsam als Team lösen können. Ein Team bestehend aus Pflegefachkräften, MFA, Notfallsanitätern, den Therapieberufen, Hebammen und Entbindungspflegern, Kardiotechnikern, PAs und Ärzten. Wir sollten uns mehr darauf konzentrieren, das Gesundheitssystem in Deutschland für die Zukunft als Team stark zu machen und Aufgaben, welche bisher nur Ärzten vorbehalten waren, nicht-ärztlichem Personal mit entsprechender Qualifikation zu öffnen. Eine Berufsgruppe allein wird die zukünftigen Herausforderungen des Gesundheitssystems jedenfalls nicht lösen können“, konkludiert Klein.
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