Zweimal jährlich eine Spritze und schon hat man das LDL-Cholesterin im Griff. Mit Inclisiran gelingt das über Jahre. Aber wie funktioniert die siRNA-basierte Therapie genau?
Bei Patienten mit Hypercholesterinämie oder gemischter Dyslipidämie, die trotz Statin-Therapie nicht die Zielwerte für LDL-Cholesterin erreichen, kann sich der Einsatz von Inclisiran (Leqvio®) lohnen. Inclisiran ist eine siRNA-basierte Therapie, die PCSK9-mRNA in der Leber abbaut und zweimal jährlich subkutan verabreicht wird.
In verschiedenen placebokontrollierten Studien hat sich die Therapie bis zu 18 Monate lang als sicher und wirksam erwiesen. In der neuesten Studie namens ORION-3, einer Verlängerungsstudie von ORION-1 wurde die Sicherheit und Wirksamkeit nun über vier Jahre lang untersucht.
Das Ergebnis: Die Senkung des LDL-C-Spiegels konnte auch über den gesamten Studienzeitraum von vier Jahren aufrecht erhalten werden. Die zweimal jährlich mit Inclisiran behandelten Patienten erreichten eine durchschnittliche Senkung des LDL-C-Spiegels um 47,5 % vom Ausgangswert (Tag 1 der Studie ORION-1) bis zum Tag 210 und eine durchschnittliche Senkung des LDL-C-Spiegels um 44,2 % über den Zeitraum von vier Jahren.
Inclisiran besteht aus einer doppelsträngigen siRNA, die chemisch modifiziert ist und an die drei N-Acetylgalactosamin-Zuckerreste angehängt ist. Damit bindet der Wirkstoff selektiv an Asialoglykoprotein-Rezeptoren (ASGPR) auf Hepatozyten. Nach der Aufnahme ins Zellinnere beginnt der Prozess, der als RNA-Interferenz bezeichnet wird: Es bildet sich der als RNA-induced silencing complex (RISC) bezeichnete Enzymkomplex, in dem die doppelsträngige siRNA gespalten wird. Im Komplex verbleibt die Leitsequenz, die komplementär zur mRNA des PCSK9-Gens (Proprotein-Konvertase Subtilisin/Kexin Typ 9) ist. Die Ziel-mRNA verbindet sich nun mit der Leitsequenz im RISC und wird abgebaut. Das verhindert, dass das Gen in das Protein PCSK9 übersetzt wird. Durch die verringerte Expression von PCSK9 steigt die Anzahl der membranständigen hepatozytären LDL-Rezeptoren. In der Folge kann mehr LDL-Cholesterin in die Zelle aufgenommen werden und der LDL-Blutspiegel sinkt.
Im Jahr 2020 wurde Inclisiran von der EMA und 2021 von der FDA zugelassen. Inwieweit der Wirkstoff Einfluss auf das kardiovaskuläre Outcome hat, wird derzeit in der Studie namens ORION-4 untersucht. Daten für harte Endpunkte fehlen. Ergebnisse sollen erst im nächsten Jahr vorliegen.
Das Nebenwirkungsprofil von Inclisiran scheint relativ günstig zu sein – allerdings weisen einige Studienautoren darauf hin, dass die lange Wirkdauer von 6 Monaten Probleme aufwerfen könnte, wenn unerwünschte Arzneimittelwirkungen auftreten. Hier bleibt abzuwarten, was im Alltagsbetrieb passiert.
Nicht unerwähnt bleiben sollte auch der hohe Preis der Therapie. Mit rund 2.600 Euro pro Injektion ist das Arzneimittel kein Schnäppchen. Damit will Hersteller Novartis schnell die hohen Akquisitionskosten von fast 10 Mrd. US$ einspielen, welche die Übernahme des Substanzentwicklers The Medicine Company im Jahr 2019 verursacht hat. Der G-BA hat im letzten Jahr als Abwehrmaßnahme die Indikationslatte zur Kostenübernahme bereits entsprechend hoch gelegt.
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