Der Titel für die Mikrobe des Jahres geht in diesem Jahr an ein gram-negatives Stäbchenbakterien – Bacillus subtilis. Erfahrt hier mehr über den Meister der Industrie, Medizin und Ernährung.
Wer an einer Autobahnraststätte eine Toilettenpause einlegt, profitiert vom Wirken von Bacillus subtilis. Denn die Bakterien bilden Sporen, die sich leicht dem Spülwasser beisetzen lassen, wo sie unter guten Bedingungen schnell auskeimen und sich rasant vermehren. So verdrängen sie andere, meist langsamer wachsende Mikroorganismen und sorgen für hygienische Verhältnisse. Dieses mikrobielle Multitalent wählte die Vereinigung für Allgemeine und Angewandte Mikrobiologie (VAAM) jetzt zur Mikrobe des Jahres.
Enzyme aus B. subtilis verwenden wir auch beim Wäschewaschen: Amylasen, Proteasen, Lipasen aus Bacillus-Stämmen bauen die wichtigsten Verschmutzungen ab, nämlich Stärke, Eiweiße und Fette – und dies bei niedrigen Temperaturen, was Energie beim Waschen spart.
Auch in der Ernährung spielt die Mikrobe eine Rolle: Viele Menschen in Asien vergären Sojabohnen mit Hilfe von B. subtilis zu traditionellen Nahrungsmitteln, die reich an Mineralien und Vitaminen sind und eine gesundheitsfördernde Wirkung haben. B. subtilis wird auch als Probiotikum eingesetzt. Die Sporenbildung trägt zu dieser Nutzung bei: Sporen ausgewählter Stämme überleben eine Hitzebehandlung (etwa von Tierfutter) und die saure Umgebung in Magen und Dünndarm. Im Körper hemmen sie Krankheitserreger, stärken die Darmbarriere und das Immunsystem.
Weil B. subtilis robust ist und schnell wächst, setzt er effizient organische Substrate in biotechnologische Produkte um. Daher wird er für zahlreichen Produktionsprozessen genutzt. So stellt B. subtilis Vitamin B2 her sowie Pantothensäure und γ-Polyglutaminsäure – als Verdicker, Befeuchter oder Gefrierschutzmittel in der Nahrungsmittel- und Kosmetikindustrie.
B. subtilis kann auch die Verwendung von Antibiotika in der Tierhaltung verringern: Ein Bacillus-basiertes Probiotikum verhindert einen in der Geflügelhaltung häufigen Darminfekt. Die Bakterien stärken zudem das Wachstum von Pflanzen, schützen sie vor Krankheitserregern und helfen, Nährstoffe aus dem Boden aufzunehmen. Außerdem bildet B. subtilis komplexe und robuste Biofilme. Einen interessanten Einsatz dieser Biofilme verspricht die mögliche Anwendung bei der Alzheimer-Krankheit: Im Tiermodell schützen sie die Nervenzellen.
Auch in der Bauwirtschaft hilft B. subtilis. Im Alterungsprozess des Betons entstehen kleine Risse, Mikroben können diese schließen. Sie bilden Carbonat (CO₃²⁻)-Ionen im Beton – eine wahre Meisterleistung in diesem stark alkalischen, sauerstoffarmen und heißen Milieu, denn beim Aushärten entstehen Temperaturen von 60 °C. Sporen von B. subtilis werden sozusagen zur Selbstheilung des Betons eingesetzt: Das durch Risse eindringende Wasser lässt die Sporen auswachsen, die dann Carbonat bilden und so die Spalten schließen.
Das Genom von B. subtilis ist sehr gut dokumentiert. Es wurde künstlich auf einen Mini-Bacillus reduziert, um zu verstehen, welche Mindest-Komponenten für zelluläres Leben benötigt werden. Dies ist auch hilfreich für biotechnologische Anwendungen, um gezielt mikrobielle Stoffe ohne Nebenprodukte zu produzieren. Schon jetzt ist B. subtilis in vielen Industriezweigen unverzichtbar, weitere Innovationen sind zu erwarten. Die Mikrobe des Jahres weist auf die bedeutsame Rolle der Mikroorganismen für die Ökologie, Gesundheit, Ernährung und Wirtschaft hin.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung des Verband Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin in Deutschland. Weitere Informationen zur Mikrobe des Jahres findet ihr hier.
Bildquelle: Giorgio Trovato, unsplash