Das Antihistaminikum Bilastin ist nicht mehr rezeptpflichtig. Mit dem Cetirizin-Konkurrenten steht uns Apos nun ein nebenwirkungsarmes Antiallergikum zur Verfügung. Was ihr für die Beratung wissen solltet, lest ihr hier.
Bereits im Januar 2020 entschied der zuständige Sachverständigen-Ausschuss einstimmig darüber, Bilastin 20 mg zur oralen Anwendung aus der Verschreibungspflicht zu entlassen. Seit Januar 2023 ist es unter dem Handelsnamen Allegra® auch in Apotheken zur Abgabe angekommen. Damit scheint nun eine echte Konkurrenz für Cetirizin und Loratadin verfügbar zu sein. Welche Kunden können davon besonders profitieren?
Bilastin ist ein H1-Rezeptorantagonist, ein Antihistaminikum der zweiten Generation mit entzündungshemmender und antiallergischer Wirkung. Somit können sowohl Urtikaria, als auch saisonale und ganzjährige Rhinokonjunktivitis damit behandelt werden. Grundsätzlich ist Bilastin sehr gut verträglich, was ein wichtiges Kriterium war, um den Wirkstoff für den OTC-Switch freizugeben. Besonders Patienten, die bei der Einnahme von Cetirizin oder Loratadin unter Müdigkeit leiden, oder Patienten mit kardiologischen Problemen können davon profitieren, denn sedierende oder kardiotoxische Nebenwirkungen bleiben aus. Dabei ist Bilastin zudem schnell in der Wirkung – der Wirkeintritt wird mit etwa 30 Minuten angegeben und liegt damit genau zwischen Cetirizin (10–30min) und Loratadin (1–3 Stunden). Die lange Halbwertszeit macht eine Wirkung von 24 Stunden möglich, so dass Bilastin zur einmal täglichen Einnahme geeignet ist.
Am ähnlichsten dürfte die Wirkung Desloratadin kommen, das im vergangenen Jahr den Switch vom verschreibungs- zum apothekenpflichtigen Präparat hinter sich gebracht hat. Auch der aktive Metabolit des Loratadins hat eine entzündungshemmende Komponente und ist etwa 45 Minuten nach oraler Einnahme wirksam. Er blockiert die proinflammatorischen Zytokine Interleukin-3, 4, 6, 8 und 13 und hemmt die Freisetzung von Leukotrienen und Prostaglandinen. Bilastin blockiert als kompetitiver Histamin-Antagonist das Gewebshormon an den peripheren H1-Rezeptoren und wirkt dadurch stabilisierend auf die Mastzellen. Es ist als Zweitgenerations-Substanz zwar dazu in der Lage, die Blut-Hirn-Schranke überwinden, doch das Transportprotein P-Glykoprotein (P-gp) befördert es aktiv wieder aus dem ZNS heraus, was erklärt, warum Bilastin kaum Müdigkeit auslöst. Die Fachinformation gibt für Bilastin die Häufigkeit von Somnolenz und Ermüdungserscheinungen mit 3,06 Prozent beziehungsweise 0,83 Prozent an, was nah an den Werten von Placebo mit 2,86 Prozent Somnolenz und 1,32 Prozent Ermüdung liegt.
Eine Besonderheit von Bilastin macht das Medikament besonders für Patienten mit Polymedikation interessant: Es interagiert nicht mit dem Cytochrom-P450-System, was sein Potenzial für Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln deutlich begrenzt. Auch kann Bilastin auch Patienten unabhängig von der glomerulären Filtrationsrate oral verabreicht werden. Selbst bei Patienten mit leichter, mäßiger oder schwerer Nierenfunktionsstörung sind keine Dosisanpassungen erforderlich. Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Niereninsuffizienz, die mit Ciclosporin, Diltiazem, Erythromycin, Ketoconazol oder Ritonavir behandelt werden, sollte Bilastin allerdings nicht verabreicht werden, da diese Inhibitoren die Bilastinspiegel im Plasma erhöhen und damit zu einem erhöhten Potenzial für Nebenwirkungen führen. Für die Leber besteht indes keine besondere Gefahr, da Bilastin nicht metabolisiert und unverändert wieder ausgeschieden wird. In den mit Bilastin durchgeführten klinischen Studien wurden weder klinisch relevante Verlängerungen des QTc-Intervalls noch andere kardiovaskuläre Wirkungen beobachtet und das auch bei einer Dosierung von 200 mg täglich, also dem Zehnfachen der normalen Tagesdosis.
Vergleicht man die Nebenwirkungsprofile von Bilastin 20 mg und Cetirizin 10 mg, so treten bei signifikant weniger Patienten unter Bilastin Somnolenz und Müdigkeit auf, die Wirksamkeit selbst ist dagegen vergleichbar mit Cetirizin. Eine Sache sollte man in der Beratung nicht vergessen: Auch Bilastin verträgt sich – wie so viele andere Wirkstoffe – nicht mit Grapefruitsaft. Dieser reduziert die Bioverfügbarkeit um bis zu 30 %. Da andere Nahrungsmittel und vor allem Fruchtsäfte die Aufnahmemenge ebenfalls verringern, wenn auch nicht in dem Maße wie Grapefruitsaft, sollte die Einnahme möglichst nüchtern erfolgen. Am einfachsten ist es, in der Beratung vorzuschlagen, zwei Stunden vor dem Schlafengehen nichts mehr zu essen und die Tablette dann einzunehmen.
Einzig der Name Allegra® scheint ungünstig gewählt. Er erinnert beim ersten Hinhören eher an ein Kontrazeptivum als ein Antiallergikum. Schaut man sich in den Nachbarländern um, ist dieser Name zudem bereits mehrfach vergeben: In Österreich enthält ein Präparat mit dem Namen Allegra® den Wirkstoff Fexofenadin, in Tschechien ist ein Präparat mit der Kombination L-Tryptophan und Vitamin B6 auf dem Markt, Allegra comfort® enthält Vitamin B und Melatonin. Im Hinblick auf die Arzneimittelknappheit und die unsäglich schlechte Idee von Ärzte-Präsident Klaus Reinhardt, Medikamentenflohmärkte unter Patienten anzuregen, ist der Name doppelt gefährlich. Glücklicherweise ist das Nebenwirkungsprofil wirklich gut, so dass selbst bei falscher Einnahme nicht von einer Gefahr auszugehen ist.
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