Aluminium ist überall – in der Nahrung, in Impfungen und in unseren Deos. Wie groß ist die Gefahr wirklich und woher kommt sie überhaupt? Ein Deep Dive.
Es gibt so ein paar chemisch angehauchte Themen, die besonders gesundheitsbewusste Menschen immer wieder in Alarmbereitschaft versetzen: Mikroplastik und künstliche Zusatzstoffe in der Nahrung, beispielsweise, oder das Fluorid im Wasser. Eine gesunde Skepsis ist selbstverständlich angebracht – gerade beim Mikroplastik ist noch nicht genügend über die Auswirkungen bekannt –, oft ist die Angst allerdings völlig überzogen oder fehlplatziert.
„Aluminium im Deo“ ist eines dieser Themen. Das Leichtmetall ist eines der häufigsten Elemente auf unserem Planeten und damit überall. Ebenso überall: die vermeintliche Gefahr, die davon ausgeht. Wenn auf jedem zweiten Deodorant explizit damit geworben wird, dass es aluminiumfrei ist, muss Aluminium ja offensichtlich was Schlechtes sein – sonst würde man ja nicht damit werben! Hört man sich einmal um, ist Aluminium angeblich für erstaunlich viele Krankheiten verantwortlich, wie Alzheimer, Autismus und (insbesondere in Form von Deo) Brustkrebs.
Keine Frage: Unnötige Expositionen zu Chemikalien verschiedener Art zu meiden, ist in der Regel eine gute Idee – vor allem, wenn noch viele Fragen zu den gesundheitlichen Auswirkungen offen sind, wie es bei Aluminium der Fall ist. Alu-Kochgeschirr und Antitranspirante bergen nur einen geringen Mehrwert und es richtet keinen wirklichen Schaden an, diese wegzulassen. Kritisch wird es aber beispielsweise, wenn Patienten aus Angst vor aluminiumbasierten Adjuvantien wichtige Impfungen ablehnen. Daher lohnt sich ein genauer Blick darauf, wie groß die Gefahr durch Aluminium tatsächlich ist.
Obwohl das Element so ubiquitär vorkommt und auch überall im Körper anzutreffen ist, hat Aluminium keine physiologische Funktion. Der allergrößte Teil des Aluminiums, welches man über die Nahrung aufnimmt, wird unresorbiert wieder ausgeschieden. Auch von den aufgenommenen Mengen wird ein großer Teil über den Urin wieder eliminiert. Etwa 1–2 % der resorbierten Dosis akkumuliert sich jedoch aufgrund der sehr langen Halbwertszeit insbesondere in den Knochen. Im Laufe des Lebens häufen sich so geschätzt 35–50 mg Aluminium an. Aluminium-Ionen zeigen auch eine hohe Affinität zu Proteinen.
Zum Problem wird das hauptsächlich für zwei Personengruppen: Einerseits Industriearbeiter, die aufgrund ihres Berufs erhöhten Aluminiumkonzentrationen in der Atemluft ausgesetzt sind, und Menschen mit einer eingeschränkten Nierenfunktion, bei denen sich größere Mengen akkumulieren. Durch diese chronisch hohe Belastung kann es zu neurologischen Defiziten, Enzephalopathien, Osteomalazien und Anämien kommen.
Was ist nun mit den anderen mutmaßlichen Gesundheitsschäden, neben der bekannten Neurotoxizität? Dafür gibt es bis heute keine stichhaltige Evidenz. Zwar fanden Studien erhöhte Aluminium-Konzentrationen im Gehirn von Alzheimer-Patienten und im Tumorgewebe von Brustkrebspatientinnen, jedoch können diese im besten Fall eine Korrelation belegen: Es ist möglich, dass das erkrankte Gewebe Aluminiumverbindungen stärker akkumuliert als gesundes Gewebe. Ein kausaler Zusammenhang ergibt sich daraus jedoch nicht und konnte bislang auch nicht durch andere Studien belegt werden.
Das ist erstmal beruhigend, denn der Kontakt mit Aluminium lässt sich überhaupt nicht vermeiden. Der Hauptexpositionsweg ist und bleibt hierbei die Nahrung, in der das Element natürlich enthalten ist. Wasserlösliche Aluminiumverbindungen werden von Pflanzen aus dem Boden aufgenommen und finden so ihren Weg in die weitere Nahrungskette. Der Gehalt variiert dabei regional und selbstverständlich auch nach Lebensmittel. Gemüse und Obst enthalten beispielsweise 1,2–1,4 mg Aluminium/kg, bei Hülsenfrüchten liegt der Anteil mit 28,5 mg/kg schon höher. In Bitterschokolade liegt der Gehalt schon bei 116 mg/kg, bei Gewürzen ist er noch höher.
Wie oben bereits angedeutet, passiert der größte Teil davon den Darm aber ganz unbehelligt. Nur etwa 0,1 % des Aluminiums aus der Nahrung werden schätzungsweise resorbiert, beim Trinkwasser sind es 0,3 %. Das heißt: Verputzt man in einer Fressattacke eine ganze Tafel Schokolade, gelangen etwa 0,01 mg Aluminium in den Organismus.
Das sind natürlich nur Durchschnittswerte. Die tatsächliche Resorption hängt von den speziellen Verbindungen und ihrer Löslichkeit ab (Aluminiumoxid oder organische Salze sind nur schwer in Wasser löslich, Aluminiumchlorid hingegen problemlos) sowie vom pH-Wert und der Anwesenheit von Komplexbildnern. Citrate erhöhen etwa die Resorbierbarkeit, Phosphate hindern hingegen die Aufnahme.
Neben dem Aluminium, welches inhärent in Lebensmitteln enthalten ist, kommt nun noch die mögliche Belastung durch unbeschichtetes Kochgeschirr dazu. Das Metall ist in saurer und salzhaltiger Umgebung gut löslich – dementsprechend führt das Lagern oder Zubereiten von Nahrung in aluminiumhaltigen Verpackungen und Geschirr zu einer nennenswerten Kontamination. Es ist somit leicht möglich, den seitens der EFSA definierten Grenzwert für die tolerierbare wöchentliche Einnahme von 1 mg pro Kilogramm Körpergewicht zu überschreiten – für eine 60 kg schwere Person wären das ergo 60 mg. Dementsprechend rät das BfR ausdrücklich davon ab, Essen lange in Alu warmzuhalten – auch wenn dieser Hinweis wohl noch nicht in der breiten Bevölkerung angekommen ist, wenn man sieht, wie beliebt das Grillen von mariniertem Gemüse, Fisch und Fleisch in Alufolien und -schälchen nach wie vor ist. Eine Überschreitung des Grenzwertes ist aber auch nicht zwingend mit toxikologischen Folgen verbunden.
Bei diesen Mengen muss man sich kaum Sorgen um die Aluminiumaufnahme durch Impfungen machen: Eine einzelne Impfung enthält zwischen 0,1 und 0,8 mg. In Anbetracht der Gesamtbelastung durch die Nahrungsaufnahme ist das nur ein Bruchteil – zumal die Impfungen im Vergleich zum Essen nicht regelmäßig vorkommen. Eine Schätzung kommt zum Schluss, dass Impfungen zur Lebenszeitakkumulation von Aluminium nur 0,25 mg beitragen. Dazu kommt: Die Adjuvantien erfüllen zumindest einen wichtigen Zweck. Der Vorteil des verbesserten Infektionsschutzes gleicht den einmalig geringfügig erhöhten Aluminiumspiegel aus.
Kommen wir wieder zum Alu-Deo zurück. Im Vergleich zu den Mengen, die auf natürlichem Wege über die Nahrung in den Organismus gelangen, ist die dermale Aluminiumaufnahme lächerlich gering. Der Aluminiumgehalt handelsüblicher Nicht-Spray-Antitranspiranten liegt bei durchschnittlich 0,32–1,05 %, maximal 7,7 %. In einer Evaluation von 2019 kam das wissenschaftliche Komitee für Verbrauchersicherheit der EU (SCCS) zum Schluss, dass die Benutzung von Nicht-Spray-Antitranspiranten bis zu einem Gehalt von 6,35 % sicher ist. Bei einer durchschnittlichen Auftragung von 0,82 g Antitranspirant pro Tag, entspricht das einer Menge von etwa 51 mg Aluminium auf der Haut. Davon gerät aber nur ein winziger Anteil in den Organismus – die Behörde errechnet eine Absorptionsrate von ganzen 0,00192 %.
Basis für die Evaluation ist eine zweiteilige Expositionsstudie, in der 6 Probandinnen einmal 0,75 g eines Antitranspirants mit 20–25 % Aluminiumchlorohydrat (ACH) auf jede Achsel auftrugen. In den folgenden 10 Tagen wurde genauestens verfolgt, wo das radioaktiv markierte Aluminium landete. Untersucht wurden tägliche Stuhl und Urinproben sowie das Aluminium-Level auf den getragenen T-Shirts der Probandinnen. Am Ende des Beobachtungszeitraum wurden weiterhin Hautbiopsie entnommen. Der allergrößte Anteil der verabreichten Dosis verblieb dabei außerhalb des Körpers: Auf dem T-Shirt und im Wasser, mit dem sich die Probandinnen abwuschen, fanden die Forscher über 95 % des aufgetragenen Aluminiums wieder. Der absorbierte Rest wurde in Stuhl und Urin ausgeschieden und nur 0,00052 % verblieben im Körper – das entspricht einer Menge von 0,02 mg durch eine einmalige Auftragung.
Für die geringe Aufnahmerate gibt es zwei Gründe: Erstens funktioniert die Hautbarriere grundsätzlich sehr gut gegenüber wasserlöslichen Verbindungen – also anorganischen Salzen wie dem ACH. Zweitens reagiert das gut lösliche ACH mit den Fetten und Eiweißen auf der Haut unter Bildung schwerlöslicher Komplexe. Diese wiederum verstopfen die Schweißdrüsen und verursachen somit den schweißhemmenden Effekt. Wie die untersuchten Biopsien jedoch zeigten, verbleiben diese Pfropfen nicht dauerhaft in der Haut, sondern werden abgerieben bzw. weggewaschen.
Antitranspirante sind im Übrigen nicht die einzige dermale Expositionsquelle. Weniger bekannt ist, dass auch zahlreiche andere Kosmetikprodukte aluminiumhaltige Verbindungen enthalten: Lippenstifte, Lidschatten und Co. enthalten häufig bis fast immer Aluminiumverbindungen als Farbpigment oder Trägermaterial für organische Farbstoffe. Auch Zahnpasta und Bodylotions enthalten verschiedenste Verbindungen, die zum Zwecke der Öl- und Geruchsabsorption oder als Schleifmaterial eingesetzt werden.
Auch hier sieht der SCCS in ihrer Evaluation von 2022 aber keine große Gefahr, sofern sich die Aluminiumkonzentrationen im normalen Rahmen bewegen. Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass „die Gesamtexposition gegenüber Aluminium aus kosmetischen und nichtkosmetischen Quellen bei den höchsten Expositionsbereichen die sicheren Grenzwerte für Verbraucher überschreiten [kann].“ Übertreiben sollte man es mit dem Lippenstift also auch nicht.
Zuletzt bleibt natürlich noch die Frage, ob es gesund ist, durch die Nutzung von Antitranspiranten die Schweißdrüsen zu verstopfen, oder ob dadurch Hautprobleme entstehen können. Auf Nachfrage der DocCheck News kann Dermatologin Dr. Alice Martin aber Entwarnung geben: „Das ist kein Problem. Das ist ja nur lokal begrenzt und wir schwitzen am gesamten Körper. Es würde eher kritisch werden, wenn wir ein Antitranspirant auf den ganzen Körper auftragen würden und nicht nur im Achselbereich, weil es dann zu einer Hyperthermie käme.“
Kurz und knackig zusammengefasst heißt das also: Die Angst vor dem Alu-Deo ist fehlplatziert – das viel größere Problem ist, wenn überhaupt, die übermäßige Aufnahme von Aluminium über die Nahrung.
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