Wer schön sein will, muss leiden – manchmal bis zum Tod. Was macht die Eigenfetttransplantation beim beliebten Brazilian Butt Lift so tödlich? Lest hier mehr zu den Gefahren der Trend-Schönheits-OP.
In der schnelllebigen Welt von heute gibt es nicht nur Mode- oder Lifestyletrends. In den letzten Jahren wird der Körper immer mehr zum Statement, zum Luxusobjekt, zum Modeaccessoire. Das ist natürlich nichts neues, Schönheitsideale gab es schon immer. In den späten 90er Jahren, der Hochzeit der Supermodels, war beispielsweise der Heroin Chic – also sehr dünne, kränklich aussehende Körper und eingefallene Gesichter, geprägt durch Namen wie Kate Moss – das Nonplusultra der Körperformen. Aktuell sieht man eine bedenkliche Rückkehr dieses Trendkörpers bei jungen Menschen, vor allem in den sozialen Medien. Was aber kam in der Zeit dazwischen? Der sogenannte „slim thicc“-Körper, geformt durch einen Brazilian Butt Lift (BBL).
Der Brazilian Butt Lift (BBL) ist irreführenderweise weder brasilianisch, noch ist er ein Butt Lift. Es handelt sich um eine Eigenfetttransplantation von anderen Körperregionen – etwa dem Bauch, Rücken oder den Armen – in den Po und die Hüften. Diese Operation ist nicht neu, sie existiert seit fast 40 Jahren. Aber das Volumen an Fett, das bei heutigen BBLs transportiert wird, ist deutlich gestiegen. Das führt dazu, dass die subkutane Empfängerstelle überfordert werden könnte, also musste eine neue Technik her. Chirurgen begannen, das Fett tiefer in die gut durchblutete Gesäßmuskulatur zu transplantieren. Schnell wurden Techniken und vermeintlich sichere Bereiche für die intramuskuläre Fetttransplantation festgelegt.
Das Ziel der Behandlung: ein großer Po und dicke, aber feste, Oberschenkel und eine breite Hüfte. Das Ganze kombiniert mit einer möglichst schmalen Taille und einem flachen Bauch. Ein großes Vorbild dieses auf natürlichem Weg oft unerreichbaren Körpertrends sind die Kardashians. Der Unterschied zu vielen vorherigen Körpertrends wie etwa dem Heroin Chic: Diesen kann man sich ganz einfach kaufen. Mittlerweile ist der BBL eine der beliebtesten Schönheitsoperationen – und eine der tödlichsten.
Eine Studie über die Mortalität der beliebten Prozedur in einer der BBL-Hauptregionen der Welt rund um Miami offenbart jetzt, woran diese hohen Todeszahlen liegen könnten. In einer vorherigen Studie konnte gezeigt werden, dass „die intramuskuläre Lipoinjektion in den Gesäßmuskel mit einer hohen Sterblichkeit verbunden ist, die durch die Schädigung der Blutgefäße im Gesäßbereich verursacht wird, was zu makroskopischen und mikroskopischen Fettembolien führen kann.“ Wenn das Fett unter die tiefe Glutealfaszie injiziert wird und dabei versehentlich eine intramuskuläre oder submuskuläre Vene verletzt, kann das transplantierte Fett über das Venensystem in Herz und Lunge gelangen. Das kann fatale Folgen haben.
Südflorida ist die Hochburg der BBL-Operationen in den USA und auch die Hochburg der mit der OP in Verbindung gebrachten Todesfälle. Alleine in dieser Region kam es im Zeitraum 2010–2022 zu 25 Todesfällen, die auf Fettembolien zurückzuführen sind. Andere Todesursachen, die ebenfalls mit der Operation zusammenhängen könnten – wie etwa Sepsis, Darmperforation, thromboembolische Lungenembolie, schwere Anämie und kardiale Ereignisse – wurden aus den Ergebnissen ausgeschlossen. Neben fatalen Verläufen sind auch andere Komplikationen wie etwa akute Anämie, Hypovolämie, Darmperforationen, Leberverletzungen, Blasenverletzungen, Pneumothoraces, größere Gefäßverletzungen und Verletzungen des Ischiasnervs inklusive Infektion häufig.
„BBL ist das einzige ästhetische Verfahren, das über eine eigene Autopsie-Technik verfügt“, sagt Dr. Alan Matarasso, Präsident der American Society of Plastic Surgeons. Eine traurige Wahrheit. Diese Autopsien bestätigen, dass die Todesfälle durch Fettembolien dann passieren, wenn Fett in den Muskel gespritzt und dabei ein Gefäß verletzt wird. Eine große Gefahr ist dabei das Erleiden einer Lungenembolie. Eine Publikation aus dem Jahr 2018, die 16 BBL-Lungenembolie-Todesfälle untersuchte, ergab: 50 % der Patienten sterben bereits auf dem Operationstisch, die anderen 50 % innerhalb von 3 Stunden nach der Operation. Nur sehr wenige Fälle sind bekannt, in denen die Patienten diese Komplikation überlebten.
Aber was kann man gegen diese schwerwiegenden Komplikationen tun? Eine „konsequente Visualisierung der subkutanen Position der Kanülenspitze vor der Fettinjektion“ wäre eine angebrachte Methode. Außerdem gäbe es eine typische Verletzungszone, die horizontal durch die Gesäßmuskulatur verlaufe, so die Studienautoren. Zudem wichtig hervorzuheben: Viele Komplikationen entstehen bei Eingriffen in Billigkliniken. Es liegt also oft nicht am Eingriff selbst, sondern an der Qualität des Eingriffs. Durch die in Südflorida verbreitete Massenabfertigung solcher Operationen ist es möglich, dass die Dunkelziffer der Todesfälle noch höher ist. Diese Annahme stützt sich darauf, dass die Zahl der angegebenen Todesfälle nicht mit den im selben Zeitraum autopsierten BBL-Patienten zusammenpasst.
„Obwohl die durch Autopsie dokumentierten BBL-Todesfälle durch Fettembolien in Südflorida eine erschreckende Zahl darstellen, ist es für uns schwierig, den Nenner unserer Sterblichkeitsrate zu beschreiben, da viele dieser Fälle in Billig-Kliniken durchgeführt werden, die weder ihre Zahlen noch die Person, die den Eingriff tatsächlich durchgeführt hat, melden“, so die Studienautoren. Hier werden vor allem Schönheits-OP-Touristen in schnellem Takt zum kleinen Preis operiert. Einen BBL kann man in einer solchen Klinik für unter 2.900 US-Dollar bekommen. Zum Vergleich: Derselbe Eingriff kostet in Deutschland zwischen 5.000–10.000 Euro.
Diese Fließbandeingriffe zum Schnäppchenpreis haben natürlich ihre Schattenseiten. Denn nur durch die Masse der Operationen kann die Klinik Profit machen – da leidet die Qualität. Es sei nicht unüblich, dass Chirurgen in solchen Kliniken täglich 8–10 BBLs durchführen. Die Studienautoren beschreiben den Fall eines Chirurgen einer solchen Billig-Klinik, dessen Patient nach einem BBL verstarb. Der behandelnde Arzt gibt an, nicht an der präoperativen Anamnese und körperlichen Untersuchung teilgenommen zu haben. Außerdem habe er das chirurgische Verfahren nicht überprüft und war weder an der prä- noch an der postoperativen Belehrung, Einwilligung oder Übersicht beteiligt. Zudem habe der Arzt die Patientin erst kurz vor Beginn des Eingriffs zum ersten Mal getroffen.
Trotz der alarmierend hohen Todeszahlen hat sich nichts geändert, in den Billig-Kliniken in Südflorida. „Nachdem eine Klinik in den Medien mit Berichten über mehrere Todesfälle in Verbindung gebracht wird, ändert die Klinik einfach ihren Namen, aber sonst passiert wenig“, so die Autoren. „Da die meisten dieser Kliniken im Besitz von Geschäftsleuten sind, können sie vom FL BoM (Florida Board of Medicine) nicht gemaßregelt werden, so dass die Patienten einem Risiko ausgesetzt sind und die unabhängigen Vertragschirurgen das Risiko tragen.“
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