Fettgewebe erfüllt als endokrines Organ wichtige Aufgaben im Körper. Forscher fanden jetzt heraus, dass Fettzellen adipöser Menschen andere Botenstoffe freigeben, als Fettzellen schlanker Menschen.
Wissenschaftlern der Universität Augsburg und des Forschungszentrums Helmholtz Munich ist mit der Identifizierung einer bislang unbekannten Übertragung von Botenstoffen aus Fettgewebe zur Bauchspeicheldrüse ein wichtiger Durchbruch gelungen, um frühe Prozesse in der Entstehung des Typ-2-Diabetes besser verstehen zu können.
Das Team unter der Leitung von Prof. Dr. Kerstin Stemmer konnte zeigen, dass Fettzellen winzige, als extrazelluläre Vesikel bezeichnete Lipidmembranpartikel ins Blut abgeben, die die Ausschüttung des Blutzucker-senkenden Hormons Insulin aus der Bauchspeicheldrüse stimulieren können. Die Arbeit erschien in Nature Communication.
Fettgewebe hat einen schlechten Ruf. Dieser ist nicht zuletzt der weltweit steigenden Zahl von übergewichtigen und fettleibigen Menschen geschuldet. Die Zellen des Fettgewebes sind hocheffiziente Energiespeicher, die überschüssige Kalorien aus der Nahrung in Fettpolster von oft beachtlicher Größe umwandeln. Dennoch ist Körperfett nicht generell schlecht, sondern hat auch äußerst wichtige Funktionen. Als endokrines, d.h. Hormon-produzierendes Organ, ist das Fettgewebe beispielsweise an der Regulation vieler Körperprozesse beteiligt. Den Forschern ist es nun gelungen, eine weitere Funktion des Fettgewebes aufzuklären. Denn Fettzellen geben nicht nur Hormone ins Blut ab, sondern auch sogenannte extrazelluläre Vesikel.
„Extrazelluläre Vesikel sind kleine membranumhüllte Partikel, die aus allen Körperzellen freigesetzt werden und eine Art Momentaufnahme des zellulären Geschehens durch den Körper tragen. Man kann sie mit Trojanischen Pferden vergleichen, die Proteine, Lipide und Nukleinsäuren zu einem Zielgewebe transportieren und dort freisetzen. In der neuen Zelle angekommen, können sie deren Funktion verändern“, erklärt Konxhe Kulaj, Doktorandin und Erstautorin der Studie. „So gelangen extrazelluläre Vesikel aus den Fettzellen gezielt zu den Betazellen der Bauchspeicheldrüse, werden dort aufgenommen und steigern dort die Ausschüttung des Hormons Insulin“ führt Kulaj weiter aus.
In einer Reihe von Versuchen konnten die Forscher nachweisen, dass extrazelluläre Vesikel aus gesundem und adipösem Fettgewebe eine sehr unterschiedliche Zusammensetzung an Botenstoffen als „Fracht“ mit sich führen und dadurch die Funktion von Betazellen der Bauchspeicheldrüse verschiedenartig beeinflussten. Stammten die extrazellulären Vesikel aus gesundem Fettgewebe, wie es bei Normalgewicht vorliegt, wurde die Insulinausschüttung nur geringfügig verändert. Extrazelluläre Vesikel aus adipösem Fettgewebe übertrugen dagegen spezifisch Proteine und Nukleinsäuren auf die Bauchspeicheldrüse, die dort die Freisetzung von Insulin stark erhöhten. In Folge sanken die Blutzuckerspiegel.
Die Bedeutung dieser Ergebnisse fasst Stemmer wie folgt zusammen: „In unserem Verständnis zur Entstehung des Typ-2-Diabetes klafft eine Lücke. Bei Übergewicht und Fettleibigkeit reagieren unsere Körperzellen zum Beispiel im Muskel oder Fettgewebe weniger empfindlich auf Insulin, wir sprechen von Insulinresistenz. In diesem sehr frühen Stadium des Typ-2-Diabetes muss unsere Bauchspeicheldrüse, zum Beispiel nach einer Mahlzeit, mehr Insulin ausschütten, um die Blutzuckerspiegel im Normalbereich zu halten. Wie können die Betazellen der Bauchspeicheldrüse aber erkennen, dass eine Insulinresistenz vorliegt, sie also mehr Insulin bereitstellen müssen?“
Die Forscherin führt weiter aus: „Eine Erhöhung der Insulinsekretion ist in diesem Frühstadium des Typ-2-Diabetes sehr förderlich und führt dazu, dass der Körper seinen Blutzuckerspiegel auf normalem Niveau halten kann. Vielen übergewichtigen und adipösen Menschen gelingt dies über Jahrzehnte, die Krankheit bricht nie aus. Die extrazellulären Vesikel aus den Fettzellen scheinen in diesem Prozess eine wichtige Rolle zu spielen“.
„Insgesamt haben extrazelluläre Vesikel sehr großes Anwendungspotential für die Diagnostik und Therapie verschiedenster Erkrankungen“, so Stemmer. „Unsere laufenden Studien zielen darauf ab, die Vesikel gezielt zu beladen, um sie für therapeutische Zwecke nutzen zu können.“
In weiteren Studien entwickeln die Augsburger und Münchner Forscher derzeit neue Verfahren, um im Blut zirkulierende extrazelluläre Vesikel für eine minimalinvasive Untersuchung von Organfunktionen nutzen zu können.
Der Beitrag basiert auf einer Pressemitteilung der Universität Augsburg. Die Originalpublikation findet ihr hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Towfiqu barbhuija, unsplash