Antibiotika bei Akne sind out. Retinoide dagegen sind ein echter Game Changer. Worauf ihr bei der Behandlung von Akne achten solltet und welche Lebensmittel tabu sind, lest ihr hier.
Pickel, Pusteln und fettige Haut – die Akne ist die weltweit häufigste Hauterkrankung. Sie betrifft nahezu alle Jugendlichen (bis zu 95 %) und auch später noch viele Erwachsene (bis zu 40 %). Zum Thema Akne lieferte Dr. Wolfgang G. Philipp-Dormston vom Dermatologikum Köln auf der letzten DocCheck CME-Veranstaltung Einblicke in die Ursache der Erkrankung und lieferte praxisbezogene Tipps zur Behandlung.
Therapieziel sollte laut Philipp-Dormston sein: Schnelle Besserung der bestehenden Läsionen und ein langfristiger Erhalt des Therapieerfolgs. Bei dem chronischen Krankheitsbild sei es wichtig, Akne-Rückfälle zu minimieren und die Narbenbildung zu verhindern. Mittlerweile bekämen auch zunehmend jüngere Kinder Akne – bereits mit 9 Jahren kann sie überwiegend im Gesicht und am Oberkörper auftreten, erklärt der Mediziner. Bis zu 7 % der Akne-Patienten seien gezeichnet von schwer ausgeprägten Narben. „Das ist es, was es zu verhindern gilt.“
Pathogenese der Akne (blau) und Mechanismen neuer Behandlungen (rot). Credit: Han et al. (2021)
Auf Basis der europäischen Leitlinien erfolgt die Einteilung von Akne in verschiedene Stufen abhängig vom Schweregrad:
Die Behandlung sollte sich an der deutschen S2k-Leitlinie und europäische S3-Leitlinie orientieren.
Therapiealgorithmus gemäß der deutschen S2-Akne-Leitlinie 2010.
Mittlerweile gibt es eine Vielzahl an Mitteln, die abhängig vom Schweregrad der Akne zur lokalen Behandlung eingesetzt werden können. Das sind:
Der Einsatz von Erythromycin oder Clindamycin ist allerdings mittlerweile obsolet, erklärt Philipp-Dormston. Denn die aktuelle DDG-Leitlinie empfiehlt für die Akne-Therapie keinen Einsatz von Antibiotika, wenn man mit anderen Therapeutika ähnliche Erfolge erreichen kann. Das Problem bei einer langen Behandlungsdauer sei das Auftreten von Resistenzen anderer Hautbewohner, also neben Cutibacterium acnes, auch Staphylococcus epidermidis oder Staphylococcus aureus. Eine Reihe von Publikationen empfiehlt daher auch keine topischen Antibiotika wie Erthromycin oder Clindamycin einzusetzen, vor allem nicht als Monotherapie.
Wahre Game-Changer in der Akne-Therapie seien hingegen die topischen Retinoide, erklärt der Dermatologe. Sie eignen sich nicht nur für eine langfristige Erhaltungstherapie und reduzieren Akne-Rückfälle, sondern kommen auch als verbeugende Maßnahme infrage. Sie bewirken nämlich eine Normalisierung des Keratinisierungsprozesses im Follikel und verhindern so überhaupt die Entstehung von Mitessern. Man kann sie also bei der Komedonenakne einsetzen und durch den positiven Einfluss auf die Follikel so eine papulopustulöse Akne verhindern, führt Philipp-Dormston aus. „Sie sind immer geeignet – von der leichten bis schweren Form.“ Sowohl als Monotherapie, als Fixkombination oder auch flankierend zur systemischen Therapie seien Retinoide geeignet.
Der Einsatz von Trifaroten habe dabei sogar gezeigt, dass nicht nur die Narbenbildung verhindert werden kann, sondern auch Narben reduziert werden, so der Mediziner. Ein großer Nachteil der topischen Retinoide sei aber, dass sie stark reizend wirken, deshalb sei es wichtig bei einer Therapie hautberuhigende Maßnahmen hinzuzieht. Die Retinoide sollten eingeschlichen werden – also erstmal einmal pro Woche und dann zweimal die Woche, damit die Haut sich dran gewöhnen kann, erklärt der Mediziner.
Benzoylperoxid (BPO) ist ein absoluter Klassiker in der Akne-Therapie: Es wirkt keratolytisch, exfoliativ, sebostatisch und ist stark oxidierend – weshalb man auch mit der Kleidung aufpassen sollte, damit diese nicht ausbleicht, mahnt der Dermatologe. Häufig wird dieser Wirkstoff in der Kombination als Gel angewandt.
Kombinierte Lokaltherapeutika seien wiederum charmant bei der Therapie, weil die Compliance bei Jugendlichen oft nicht sehr hoch ist, erklärt Philipp-Dormston. Die Kombinationspräparate bestehen in der Regel aus BPO und Clindamycin oder Adapalen, ein Retinoid. Das Problem bei der Kombination mit dem Antibiotikum sind die Resistenzen, weswegen der Dermatologe es auch gar nicht mehr in der Praxis verwendet. Er bevorzugt die Fixkombination mit Adapalen, da es sowohl ursachenbezogen, also antikomedogen und komedolytisch, sowie symptomatisch, das heißt antiinflammatorisch und stark antibakteriell, wirkt. „Das Adapalen-BPO-Gel hat den Vorteil, dass es an allen Schenkeln der Genese und Entstehung ansetzt – besser als eine Monotherapie mit den Retinoiden“, erklärt Philipp-Dormston. Auch hier sei die Nebenwirkung die Reizung der Haut, weshalb das Einschleichen der Therapie wichtig ist.
Die richtige Hautpflege kann ärztlich abgestimmt flankierend zur Therapiemaßnahme wirken und ist besonders wichtig, wenn man auf die Nebenwirkungen wie Hautreizung und Austrocknung blickt. Beispielweise führt die richtige Reinigung zur erhöhten Aufnahme der Wirkstoffe und somit zu einem optimalen Therapieergebnis und kann für ein langanhaltendes, ebenmäßiges Hautbild eine wichtige Rolle spielen. Hautpflegeprodukte sollten dabei nicht komodogen sein, also nicht zusätzlich fettend, sondern sollten hydratisieren, aber frei von Ölen sein.
Auch eine physikalische Therapie mache Sinn, führt Philipp-Dormston aus. Man sollte also versuchen, die Jugendlichen beispielsweise mit einer Akne-Toilette oder kosmetischen Ausreinigung zu unterstützen. Denn das klassische „ich drücke den Pickel zu Hause aus“ sorge dafür, dass die Entzündung in die Tiefe verschleppt wird und das fördere letztendlich die Narbenbildung. Davor könne ein leichtes Enzym-Peeling angewendet werden und dann eine manuelle Ausreinigung durch den Kosmetiker folgen – die meisten dermatologischen Praxen haben ein solch geschultes Personal eingestellt, erklärt der Dermatologe.
Das Problem bei dem Thema Hautpflege und Akne-Behandlung ist aber, dass der Rat von medizinisch geschultem Personal in den meisten Fällen erst spät gesucht wird. Etwa 40 % der Betroffenen haben einen akuten bis chronischen Verlauf, der medizinisch behandelt werden sollte. Doch bis der Arzt aufgesucht wird, verstreichen meist viele, nicht hilfreiche Versuche, das Erscheinungsbild in Griff zu bekommen. „Die Reise der Akne beginnt in der Regel nicht bei uns Ärzten“, sagt Philipp-Dormston. Es wird oft selbst behandelt, sich auf Social-Media-Kanälen von Influencern informiert oder von Kosmetikern beraten, was teilweise auch in völlig falsche Richtungen führen kann. Erst wenn das alles nicht klappt, suchen Patienten den Arzt auf – das könne sich aber teilweise über Jahre ziehen. Vor allem Social Media spiele eine große Rolle zu Beginn der Akne-Erkrankung. „Wir haben einen hohen Aufklärungsbedarf“, der für die optimale Therapie-Einleitung ausschlaggebend ist. Das A und O dabei ist die frühzeitige und kompetente Information der betroffenen Jugendlichen und ihrer Familien über modernes Akne-Management.
Wenn die Lokaltherapie nicht anschlägt oder Patienten an schwerer Akne leiden, kann systemisch behandelt werden. Dazu zählen:
Laut den deutschen Leitlinien sollen diese Antibiotika bei mittelschwerer bis schwerer Akne als Kombinationstherapie mit BPO, Retinoiden oder Azelainsäure als Basistherapie oder bei Frauen mit oralen hormonellen Antiandrogenen gegeben werden. Teilweise können durch die Antibiotika aber schwere Nebenwirkung wie eine Hepatitis oder Pankreatitis auftreten, weshalb sie auch nicht die erste Wahl sein sollten.
Orales Isotretinoin hilft vor allem schwerst betroffenen Patienten, erklärt Philipp-Dormston. Allerdings gibt es eine Diskrepanz zwischen Empfehlungen der EMA und den europäischen S3-Leitlinien: Laut der EMA sollte die Indikation nur bei schwerer Akne gestellt werden, wenn zunächst der Einsatz kombinierter oraler und topischer Medikamente versagt. Die europäischen S3-Leitlinien stehen hingegen im Konflikt dazu: Isotretinoin sollte bei schwerer Akne als Mittel der ersten Wahl gegeben werden.
Isotretinoin hat viele Nebenwirkungen – eine garantierte seien trockene Lippen, sagt Philipp-Dormston. Andere schwerwiegendere Nebenwirkungen sind entzündliche Colitis oder eine Rhabdomyolyse, weshalb starke körperliche Anstrengungen vermieden werden sollten. Und es wirkt teratogen, weshalb ein Schwangerschaftsverhütungsprogramm umgesetzt werden müsse – zuletzt wurde in einem Rote-Hand-Brief der BfArM nochmals vor dem Risiko gewarnt.
Kann es Depression oder suizidale Reaktionen induzieren? Die Studienlage sehe aktuell noch widersprüchlich aus, erklärt der Dermatologe. Auch die Akne selbst kann zu psychischen Komorbiditäten führen, weshalb individuell das Nutzen-Risiko abgestimmt werden muss.
Akne wir häufig als harmlose Erkrankung bei Kindern und Jugendlichen missverstanden, obwohl sie die Lebensqualität der Betroffen maßgeblich beeinträchtigen kann. „Die Akne geht bei vielen Jugendlichen mit psychischen Begleitkomplikationen einher“, warnt Philipp-Dormston. Stigmatisierung, ein geringes Selbstwertgefühl, sozialer Rückzug sowie Depression und Angststörungen können unter anderem langanhaltende Folgen für viele Betroffene sein – auch nach überstandener Akne.
Denn nicht nur die typischen Papeln, Pickel und Pusteln führen dazu, dass Betroffene mit ihrem Erscheinungsbild unzufrieden sind, sondern auch postinflammatorische Hyperpigmentierungen, also anhaltende, dunkle Pickelmale, die weiter an die ehemalige Akne erinnern. Ausreichender Sonnenschutz und Tyrosinase-Hemmer wie Thiamidol können diese Hyperpigementierung verhindern bzw. der Entstehung vorbeugen. Etwa 40 % der Akne-Patienten haben Narben, dem könnte mit Retinoiden wie Adapalene oder Trifaroten vorgebeugt werden.
Zwar hängt die Akne überwiegend mit genetischen Faktoren zusammen (81 %), allerdings spielen Umwelteinflüsse bzw. epigenetische Ursachen ebenfalls eine wichtige Rolle (19 %). So können androgene Hormone, Leistungssport, Nikotin sowie die Ernährung klare Treiber beim Krankheitsverlauf sein. Vor allem auf drei Lebensmittelgruppen sollten Akne-Patienten laut Philipp-Dormston verzichten: Hyperglykämische Kohlenhydrate (also Zucker), Milch und Molkeprodukte sowie gesättigte Fettsäuren und Transfette. Die Western Diet, die häufig aus den aufgeführten Lebensmittelgruppen besteht, führe laut des Mediziners zu massiven multimodalen Inflammationsprozessen an den Talgdrüsenfollikeln.
Das Fazit des Dermatologen: Akne hat eine multifaktorielle Genese. Mit professionellem ärztlichem Akne-Managements lässt sie sich effizient behandeln – dabei ist mit Blick auf Umwelteinflüsse und Hautpflege auch eine interdisziplinäre Zusammenarbeit sinnvoll.
Bildquelle: Pramod Tiwari, unsplash