Jugendliche verbringen viel Zeit am Smartphone – und checken dabei vor allem Social Media. Wie wirkt sich das auf die Gehirnentwicklung aus?
Das Smartphone ist nicht mehr aus unserem Leben wegzudenken, schon gar nicht bei den jüngeren Generationen. Dass viele Jugendliche zu viel am Handy hängen, ist nichts Neues. Eine Studie untersuchte nun aber, ob Jugendliche, die viel Zeit auf sozialen Netzwerken verbringen, eine andere Gehirnentwicklung aufweisen, als ihre Altersgenossen, die sich nicht ständig auf Facebook, Instagram und Snapchat tummeln.
Selbstdarstellung, sehen und gesehen werden – das ist das Hauptziel vieler jungen Menschen, wenn sie auf Social Media posten und mit anderen Nutzern interagieren. Das soziale Feedback, dass man über Plattformen generieren kann, ist unmittelbar. Jedes Like, jeder Kommentar und jede Nachricht verleiten dazu, ständig aufs Handy zu gucken, mit anderen Nutzern zu interagieren und Bestätigung für das eigene soziale Verhalten zu bekommen. Jugendliche posten aber nicht nur, sie vergleichen sich via Social Media auch mit ihren Altersgenossen und Vorbildern. Was machen sie, wie verbringen sie ihre Zeit, wie sehen sie aus – und sollte ich mich diesen Verhaltensweisen anpassen?
In einer Umfrage gaben 35 % der befragen US-amerikanischen Teenager im Alter von 13–17 Jahren an, beinahe durchgehend zumindest eine Social Media Plattform zu nutzen, allen voran Tik Tok, Snapchat und YouTube. Über ein Drittel (36 %) der Befragten gab außerdem an, dass sie von sich selbst denken, zu viel Zeit auf sozialen Netzwerken zu verbringen. Das sehen auch Forscher der University of North Carolina so: „Soziale Medien bieten Jugendlichen einen konstanten und unvorhersehbaren Strom sozialer Einflüsse in einer kritischen Entwicklungsphase, in der das Gehirn besonders sensibel auf soziale Belohnungen und Bestrafungen reagiert.“ Die Wissenschaftler beschäftigten sich deswegen mit der Frage, wie die Häufigkeit, mit der Jugendliche ihr Verhalten auf sozialen Medienplattformen überprüfen, mit Veränderungen in der funktionellen Gehirnentwicklung zusammenhängt.
Die Forscher untersuchten dazu die neuronale Sensibilität für soziale Antizipation von 169 Jugendlichen im Alter von 12–13 Jahren über den Zeitraum von 3 Jahren. Erst gaben die Probanden an, wie häufig sie täglich die Social Media Plattformen Facebook, Instagram und Snapchat checken. Anschließend wurden sie auf dieser Basis in acht Gruppen geteilt (< 1 Mal pro Tag; 1 Mal pro Tag; 2–3 Mal pro Tag; 4–5 Mal pro Tag; 6–10 Mal pro Tag; 11–15 Mal pro Tag; 16–20 Mal pro Tag; > 20 Mal pro Tag).
In den nächsten drei Jahren wurde jährlich die neuronale Reaktion bei der Erwartung von sozialem Feedback mittels funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRI) gemessen. Die Forscher konnten einen Zusammenhang zwischen der Häufigkeit, mit der die Probanden Social Media checkten, und der altersentsprechenden Hirnentwicklung feststellen. „Wir fanden heraus, dass 12-jährige Jugendliche unterschiedliche neuronale Muster in Bezug auf ihr Verhalten beim Checken von sozialen Medien zeigten. Während Teilnehmer mit hoher Social-Media-Nutzung eine Hypoaktivierung der Amygdala, der posterioren Insula, des ventralen Striatum und des linken dorsolateralen präfrontalen Kortex als Reaktion auf die Erwartung von sozialem Feedback zeigten, wiesen diejenigen mit niedriger Nutzung eine Hyperaktivierung in denselben Gehirnregionen auf“, so die Forscher.
Besonders interessant: Diese Ergebnisse kehrten sich in den drei Jahren Laufzeit der Studie um. Jugendliche, die häufig Social Media nutzten, verzeichneten im Längsschnitt einen Anstieg der Aktivierung in diesen Regionen, während diejenigen mit niedrigem Nutzungsverhalten über die Jahre einen Rückgang der Aktivierung verzeichneten. Dieses Verhalten könnte auf eine natürliche „entwicklungsbedingt abnehmende Sensibilität für soziale Antizipation hinweisen“, so die Forscher. Tatsächlich weisen Jugendliche im Vergleich mit Kindern oder Erwachsenen eine höhere Sensitivität des Belohnungssystems auf. Das soziale Feedback, das durch Interaktion auf Social Media entsteht, könnte also weiteres Verhalten, das soziales Feedback hervorbringt, anstacheln.
Eine andere Theorie der Forscher besagt, dass „das belohnungssuchende Verhalten von Jugendlichen mit einem Aktivitätsdefizit in den mit der Motivation verbundenen Gehirnregionen einhergeht.“ Wenn Jugendliche also ständig Belohnungsreizen durch Social Media ausgesetzt sind, könnte das die Dopaminrezeptoren und -produktion negativ beeinflussen. Diese Reduktion führt die Jugendlich wiederum dazu, mehr zu posten, um das Belohnungssystem anzuregen.
Die Social-Media-Nutzung vieler Jugendliche hat in den letzten Jahren stark zugenommen und wird es voraussichtlich auch weiterhin tun. Die Plattformen werden sich ändern, aber die generelle Nutzung wird wohl eher zu- statt abnehmen. Deswegen sollten die Auswirkungen auf die mentale Gesundheit und die Hirnentwicklung weiter kritisch untersucht werden.
„Diese Längsschnitt-Kohortenstudie deutet darauf hin, dass das Verhalten in den sozialen Medien in der frühen Adoleszenz mit Veränderungen in der neuronalen Entwicklung von Jugendlichen, insbesondere der neuronalen Sensibilität für potenzielles soziales Feedback, verbunden sein könnte“, so die Forscher. Es seien aber weiter Studien nötig, um langfristige Auswirkungen der Nutzung sozialer Medien auf die neuronale Hirnentwicklung sowie die daraus resultierenden psychologischen Auswirkungen gesamtheitlich zu verstehen.
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