Das vermeintlich starke Geschlecht kam nicht gut mit der Corona-Krise klar. Zwar sind Frauen von psychischen Erkrankungen quantitativ stärker betroffen, Männer ziehen aber erschreckend schnell nach.
Klar ist: Die Corona-Pandemie samt all ihrer gesellschaftlichen Einschränkungen hatte und hat starke Auswirkung auf die Psyche der gesamten Bevölkerung. Ob jung oder alt, Mann oder Frau – durch die Bank stiegen Fallzahlen und Krankentage, die von psychischen Erkrankungen verursacht wurden. Den rasantesten Anstieg in Sachen Kranken- und Ausfalltage legten allerdings die Männer hin, wie eine aktuelle Auswertung der Kaufmännischen Krankenkasse zeigen.
Im Rahmen ihrer Analyse registrierte die Kaufmännische Krankenkasse 2,3 Millionen Fehltage in 2022 aufgrund seelischer Leiden – bei bundesweit etwa 57.500 Krankschreibungen. Gegenüber dem Vorjahr ist das ein Gesamtanstieg von 16 %. Insbesondere Männer sind dabei für den Anstieg verantwortlich – so waren für 2022 rund 40 % mehr Krankschreibungen aufgrund von Angststörungen bei den Herren (ein Plus von 19 % bei Frauen) zu verzeichnen. Noch größer ist der Unterschied bei den somatoformen Störungen: Hier wurden 22 % mehr Fälle bei Männern ausgemacht, gegenüber 6 % bei Frauen.
Den rasanten Anstieg seelischer Leiden führen die Wissenschaftler derweil zu einem guten Teil auf die besonderen Umstände der Corona-Pandemie zurück. „Da sich Männer häufig mehr Sorgen um ihre Perspektiven im Job und die wirtschaftliche Situation ihrer Familie machen als Frauen, leiden sie möglicherweise besonders stark unter Existenzängsten und dem Ohnmachtsgefühl, ihrem Verantwortungsanspruch durch die Folgen der Krise nicht mehr gerecht werden zu können“, ordnet Antje Judick, KKH-Arbeitspsychologin, ein. „Dass die Männer nun so stark aufholen, zeigt, dass sie einen sehr hohen Leidensdruck haben.“
Gleichzeitig weisen die Autoren darauf hin, dass man hier nicht pauschal von männerspezifischen Ursachen sprechen kann – sind die Fallzahlen bei Frauen doch seit Jahren anhaltend hoch. Und doch führen die gleichen Lebensbedingungen und Auslöser häufig zu unterschiedlichen Krankheitsbildern. Dass sich die Symptome psychischer Erkrankungen derweil je nach Geschlecht unterscheiden, war bereits in vorangegangenen Studien bestätigt worden.
Dass die Zahlen der KKH derweil keinesfalls eine Momentaufnahme sind oder eine Ausnahme darstellen, als vielmehr einen Trend untermauern, zeigen weitere Studien- und Analyseergebnisse.
Credit: Statistisches Bundesamt
So machten psychische Erkrankungen, allen voran Depression, im Jahr 2020 die häufigste ermittelte Ursache für stationäre Krankenhausbehandlungen bei Menschen im Alter bis 24 Jahre aus. Mit 147.000 von 829.400 Krankenhausaufenthalten sind dies 18 % aller Fälle in dieser Altersgruppe. Seit 2005 bedeutet das zudem einen Anstieg von 12 % auf 18 % am Gesamtaufkommen.
Credit: Gesundheitsreport 2022; Techniker KrankenkasseEin ähnliches Bild zeichnen auch die Gesundheitsreports der BKK und TK. „Die Fehlzeiten unter der Diagnose psychischer Störungen bei Berufstätigen 2021 markieren mit 283 AU-Tagen je 100 Versicherungsjahre […] den höchsten Stand seit Beginn der Auswertungen zum Jahr 2000“, heißt es im Bericht der Techniker Krankenkasse – was gleichzeitig einen relativen Anstieg der Fehlzeiten um 120 % bedeutet. Mit Blick auf die Langzeitentwicklung konstatiert die psyGA (psychische Gesundheit am Arbeitsplatz) zudem einen Anstieg von 2 % auf 16,6 % für psychische Erkrankungen als Ursache für Arbeitsunfähigkeitsgeschehen in den vergangenen 40 Jahren.
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