Bempedoinsäure reiht sich in den Kanon der LDL-senkenden Therapien ein. Das facht die ewige Diskussion an, wann Statine überhaupt sinnvoll sind. Was heißt das für die Praxis?
Deutliche Botschaft von der Tagung des American College of Cardiology in New Orleans: Der Cholsterinsenker Bempedoinsäure – vermarktet als Nilemdo® von Daiichi-Sankyo – senkt die Inzidenz kardiovaskulärer Ereignisse in ähnlicher Form, wie das Statine tun. Das zeigt die CLEAR-Outcomes-Studie, deren Ergebnisse zeitgleich mit der Vorstellung in New Orleans auch im New England Journal of Medicine publiziert wurden.
Bempedoinsäure hemmt die ATP-Citrat-Lyase, ein Enzym, das in der Leber für die Synthese von Cholesterin erforderlich ist. Das Medikament wird in der Leber in einen aktiven Metaboliten umgewandelt, was mit der Hoffnung verbunden ist, dass es weniger muskuläre Nebenwirkungen als Statine haben könnte.
An der CLEAR-Outcomes-Studie nahmen 13.970 Patienten teil, die ein hohes kardiovaskuläres Risiko hatten und die Statine entweder nicht vertrugen oder sie verweigerten. Behandelt wurde mit 180 mg Bempedoinsäure oder Placebo, zusätzlich zu leitliniengemäßer sonstiger Therapie, und zwar über im Median 40 Monate. Die Patienten starteten im Mittel bei 139 mg/dl LDL-Cholesterin.
Bereits nach 6 Monaten war das LDL in der Interventionsgruppe um gut ein Fünftel gefallen, während sich in der Kontrollgruppe nichts getan hatte. Über 60 Monate fiel das LDL im Bempedoin-Arm um 26,1 %, gegenüber 10,6 % im Kontrollarm. Daneben wurde ein sehr deutlicher und anhaltender CRP-Effekt gezeigt: Der hoch-sensitiv gemessene CRP-Wert war nach 6 Monaten um 22,2 % und am Studienende um 19,4 % geringer als zu Beginn. Bei Placebo-Therapie ging er bis Monat 6 um 2,4 % nach oben und lag am Studienende nur um 1,6 % im Minus.
Primärer Endpunkt der CLEAR-Outcomes Studie war ein Komposit aus kardiovaskulärem Tod, Myokardinfarkt, Schlaganfall oder koronarer Revaskularisierung. Dazu kam es bei 11,7 % der Patienten in der Verum-Gruppe, gegenüber 13,3 % in der Placebo-Gruppe. Das war signifikant (HR 0,87; 95 % CI 0,79–0,96; p = 0,004). Über 40 Monate errechnet sich daraus eine Number-needed-to-treat von 62. Jeweils signifikant war auch der Effekt bei den sekundären Endpunkten „kardiovaskulärer Tod, Myokardinfarkt oder Schlaganfall“, „tödlicher oder nicht-tödlicher Infarkt“ und „koronare Revaskularisierungen“. Die Verträglichkeit war gut: Weder Muskelschmerzen noch Diabetes-Neudiagnosen, die beiden typischen Statin-Folgen – waren bei Verum-Therapie häufiger. Wie in früheren Bempedoinsäure-Studien traten dafür Gichtanfälle sowie Erhöhungen von Kreatinin und Leberenzymen etwas öfter auf.
Was heißt das nun für die Praxis? Prof. John Alexander von der Kardiologie am Duke Clinical Research Institute in North Carolina kommentiert die Studie in einem NEJM-Editorial dahingehend, dass Bempedoinsäure bei Patienten mit Indikation für eine LDL-Senkung breit eingesetzt werden sollte, sofern Statine nicht vertragen oder verweigert werden. Eine Erstlinientherapie sei es allerdings noch nicht, und auch zu Kombinationstherapien fehlen bisher noch Studien mit harten klinischen Endpunkten. Was die Kombination angeht, gibt auch die CLEAR-Outcomes-Studie wenig Hilfestellung. Statine waren ohnehin ausgeschlossen, Ezetimib wurde bei etwa jedem zehnten Patienten begleitend verordnet.
Unabhängig von der neuen Studie flammen aktuell die Diskussionen um die prinzipiellen Indikationen für eine Statin-Therapie wieder auf. Grund ist die allerdings noch nicht final abgestimmte Neufassung der Empfehlungen zur kardiovaskulären Risikoreduktion des britischen National Institute of Health and Care Excellence (NICE). Im derzeit aktuellen Entwurf steht, dass der Einsatz von Statinen auch bei Personen mit niedrigem kardiovaskulärem Risiko, definiert als 10-Jahres-Risiko unter 10 %, indiziert sein könne.
Dies sei aber keine pauschale Empfehlung, sondern eine individuell zu erwägende Therapie, die insbesondere dann zum Tragen kommen solle, wenn trotz Lebensstilmodifikation und Behandlung einer arteriellen Hypertonie weiterhin ein Risiko bestehe. Eine feste Grenze für dieses Restrisiko wird nicht genannt. Pauschale Risikogrenzwerte werden mittlerweile ohnehin von vielen Ärzten kritisch gesehen, schon deswegen, weil es einen Unterschied macht, wie alt der jeweilige Patient ist.
Quellen
Nissen et al., Bempedoic Acid and Cardiovascular Outcomes in Statin-Intolerant Patients. The New England Journal of Medicine, 2023. https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa2215024
Bildquelle: Jungwoo Hong, unsplash