Im Supermarkt stehen sie immer öfter im Regal: glutenfreie Produkte. Für Menschen mit Unverträglichkeiten ein Segen. Aber wie gut sind die Lebensmittel aus ernährungsphysiologischer Sicht?
Im Laufe der Jahre erhalten immer mehr Patienten die Diagnose Zöliakie. Laut Experten kann dies zwei Gründe haben: Zum einen ist die Zahl der Zöliakiebetroffenen durch Umweltfaktoren gestiegen, zum anderen kann die Krankheit immer besser diagnostiziert werden. Gluten kann neben der Zöliakie, auch Gluten-sensitiven Enteropathie genannt, aber auch andere Erkrankungen auslösen.
Die Zunahme der Diagnosen hat mittlerweile auch die öffentliche Wahrnehmung erreicht – immer mehr Menschen halten eine glutenfreie Ernährung für besonders gesund. Rund drei Prozent der deutschen Bevölkerung greift zu glutenfreien Lebensmitteln.
„Bestimmte Eigenschaften werden dieser Ernährung oft zugeschrieben. Die Daten zeigen aber, dass glutenfreie Produkte nicht gesünder sind, als herkömmliche“, so Jonatan Miranda-Gómez, Pharmazeut an der Universität des Baskenlandes, der in der Forschungsgruppe Gluten 3S arbeitet. Diese Gruppe ist für die Erteilung des ISO-Siegels akkreditiert, das garantiert, dass glutenfreie Produkte tatsächlich glutenfrei sind.
Mirandas Team führt bereits seit vielen Jahren eine Nährwertanalyse glutenfreier Produkte durch. „Im Jahr 2014 haben wir eine Arbeit veröffentlicht in der wir 200 glutenfreie Lebensmittel mit ihren glutenhaltigen Pendants verglichen. Ernährungsphysiologisch sind sie einander nicht ebenbürtig.“ Viele der glutenfreien Produkte enthielten mehr ungesättigte Fette als glutenhaltige, sie hatten einen geringeren Ballaststoffgehalt und ihr Salz- und Proteingehalt musste überwacht werden. Die Situation ändere sich aber ständig. Die neuesten Ergebnisse einer anderen Studie wurden gerade in der Zeitschrift Foods veröffentlicht.
Der Anteil der Zöliakiebetroffenen liegt bei etwa 1 %. Allerdings hat die Bevölkerung zugenommen, und Glutensensitivitäten werden immer häufiger – wenn man diese Gruppe mit einbezieht, sind etwa 10 % der Bevölkerung betroffen. „Die Industrie ist sich dessen bewusst“, so Miranda-Gómez. „Sie hat also mehr Produkte entwickelt, was auch ermöglicht hat, mehr Forschung zu betreiben und andere Komponenten zu berücksichtigen. In gewissem Maße hat diese Dynamik zu einer Entwicklung in der Branche geführt. Und es hat eine bemerkenswerte Verbesserung gegeben.“
Nudeln seien ein gutes Beispiel dafür. Glutenfreie Nudeln werden nicht aus Weizen hergestellt, sondern aus Mais. Maismehl ist die Hauptzutat. Daran hat sich auch in den letzten neun Jahren nichts geändert. Aber während früher die zweitwichtigste Zutat Reismehl war, wird heute häufig Hirse verwendet. „Das hat sich positiv auf den Nährwert ausgewirkt“, sagt Miranda-Gómez. „Um Nudeln herzustellen, muss man sie extrudieren, und Hirse ermöglicht es, bei der Extrusion weniger Fett zu verwenden.“ Darüber hinaus haben Initiativen im Bereich der Lebensmittelgesetzgebung dazu beigetragen, dass die Änderungen der letzten Jahre zu Veränderungen bei den Nudelzutaten geführt haben.
Bei nicht festen Produkten greifen die Hersteller auf andere Strategien zurück. Ein Beispiel ist Bier. In diesem Fall wird das Gluten nicht ersetzt, sondern durch die Zugabe von Enzymen während des Klärungsprozesses (bei dem die Schwebstoffe von der Flüssigkeit getrennt werden) abgebaut. „Dieses Verfahren hat jedoch eine weitere Einschränkung“, fügt Miranda-Gómez hinzu. „Schädliche Moleküle können bei der Routineanalyse unbemerkt bleiben. Mitglieder der Zöliakievereinigung berichten uns manchmal, dass sie glutenfreies Bier nicht gut vertragen. Daher wurde ein neuer Forschungszweig eröffnet, um diese Biere zu analysieren.“
Für Miranda-Gómez ist das Thema eindeutig weit gefasst. „In den letzten Jahren haben Ergebnisse gezeigt, dass auch andere Moleküle schädlich sein können und dass diese glutenfreien Produkte auch bei strikter glutenfreier Ernährung Beschwerden verursachen können.“ Außerdem will er einen weiteren Schwerpunkt in die Forschung einbringen und den Umweltaspekt untersuchen. „Wir wollen herausfinden, wie sich glutenfreie Lebensmittel auf die Umwelt auswirken. Sie sind in der Regel umweltschädlicher als andere, da einige Zutaten beispielsweise aus dem Ausland importiert werden müssen. Diese Auswirkungen müssten verringert werden. Zum Beispiel muss die Beschaffung von Hirse weiter optimiert werden“, so Miranda-Gómez.
Der Beitrag basiert auf einer Pressemitteilung der Universität des Baskenlandes. Die Originalpublikation finde ihr hier und im Text verlinkt.
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