Ein 50-Jähriger berichtet von wiederkehrenden Bauchschmerzen und Ohnmachtsanfällen – vor allem nach dem Konsum von Alkohol. Ein auffälliger EKG-Befund lässt die Ärzte schließlich stutzen.
Ein 50-Jähriger Patient wird nach wiederkehrenden Bauchschmerzen und Ohnmacht nach Alkoholkonsum ins Krankenhaus eingewiesen. Die Beschwerden bestanden bereits seit 2 Jahren, doch bei der Aufnahme erlebte der Patient eine Verschlechterung der Symptome. Der Lifestyle des Patienten war alles andere als gesund: Die Person war Raucher und hatte seit etwa 20 Jahren übermäßig Alkohol konsumiert – etwa 250 g pro Woche, was etwa einem Liter Bier pro Tag entspricht. Neben der Neigung zum Konsum von Rauschmitteln, wurde 3 Monate vor Aufnahme Bluthochdruck diagnostiziert.
Der Patient wurde ursprünglich in der Station für Gastroenterologie aufgenommen aufgrund der Bauchschmerzen, des Schwindels und den Synkopen. Diese Symptome traten in der Regel 6 bis 20 Stunden nach Alkoholkonsum auf und dauerten bis zu 10 Minuten an. Sie zeigten sich somit erst, wenn der Körper den Alkohol schon abgebaut haben sollte. Der Patient fiel nur in Ohnmacht, wenn er auch große Mengen Alkohol zu sich nahm. Die behandelnden Ärzte verlegten den Patienten anschließend auf die kardiologische Station zu den Kardiologen um Dr. Caifeng Fan von der Universitätsklink Luoyan in China.
Das Kardiologen-Team nahmen ein 12-Kanal-Holter-EKG des Patienten während einer der Symptomepisoden als weiteren Befund auf. Dabei stellten sie einen ausgeprägten AV-Block sowie verfrühte ventrikuläre Kontraktionen fest. Die ST-Segmente in den Ableitungen II, III und aVF waren um 4–6 mm erhöht, während sie in den Ableitungen V2 bis V6 wesentlich gesenkt waren. Zudem erfassten die Ärzte einen Sinusrhythmus mit kurzen Bursts der ventrikulären Tachykardie mit ST-Hebungen von 4–15 mm in den Ableitungen II, III, aVF und V2 bis V6. Der Patient unterzog sich auch einer Koronarangiographie, die eine leichte LAD (10 %) sowie RCA-Stenose aufzeigte.
Angesichts des klinischen Verlaufs, der Veränderungen im EKG und des Ergebnisses der Koronarangiographie vermuteten die behandelnden Ärzte eine Prinzmetal-Variante der Angina pectoris – bedingt durch den hohen Alkoholkonsum des Patienten. Typisch für diese Angina-Variante sind vorrübergehenden ST-Hebungen im EKG, verursacht durch den Spasmus der Koronararterien.
Anders als die klassische Angina, die oft durch Anstrengung ausgelöst wird, tritt diese Variante im Ruhezustand auf und wird vor allem durch Kälte, Kaffee, emotionale Erregung und Alkohol sowie andere Faktoren verursacht, erklären Fan et al. Mehr als ein Viertel der Betroffenen weisen einen erhöhten Alkoholkonsum auf, merken die Autoren an. Durch den langjährigen Konsum von Alkohol und Tabak könnte bei dem Patienten eine endotheliale Dysfunktion aufgetreten sein, vermuten die Ärzte. Darüber hinaus prädisponiere die hohe Prävalenz einer Aldehyd-Dehydrogenase-2-Defizienz in ostasiatischen Populationen für alkoholinduzierte Vasospasmen, führen die Medizinier weiter aus. Allerdings seien die genauen zugrundeliegenden Mechanismen der Angina-Variante immer noch nicht geklärt.
Basierend auf dieser Diagnose behandelten die Ärzte den Patienten mit Diltiazem, einem Kalzium-Antagonisten, das die Bauchschmerzen während des Krankenhausaufenthaltes verkürzte und linderte. Dazu erhielt der Patient Atorvastatin, Aspirin und Clopidogrel – letztere beide als duale Thrombozytenaggregationshemmmer. Das wichtige war aber, dass der Patient mit dem Rauchen aufhörte und seinen massiven Alkoholkonsum stoppte. Diese Intervention war ein voller Erfolg: Denn in der Nachbeobachtungszeit von 2 Jahren klagte der Patient weder von Bauchschmerzen noch von Synkopen.
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