Ein von Fettzellen ans Blut abgegebener Botenstoff könnte bei starkem Übergewicht eine Insulinresistenz und chronische Entzündungen fördern und so Diabetes und Gefäßerkrankungen begünstigen. Dies zeigten klinische Untersuchungen am Deutschen Institut für Ernährungsforschung.
Die Zahl übergewichtiger Menschen hat in den letzten drei Jahrzehnten weltweit stark zugenommen. Nach Angaben der World Health Organization gehen sogar inzwischen mehr Todesfälle auf ein zu hohes Körpergewicht als auf ein zu niedriges zurück. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse der vergangenen Jahre belegen dabei, dass Übergewicht und das damit verbundene metabolische Syndrom das Risiko für Typ-2-Diabetes, bestimmte Krebsarten sowie Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen. Nach neuestem, wissenschaftlichem Stand sind chronische Entzündungsreaktionen ursächlich am Entstehen dieser Folgeerkrankungen beteiligt. Die molekularen Mechanismen, die zu diesen übergewichtsbedingten Entzündungsprozessen führen, sind jedoch noch weitgehend unerforscht. Das Team um die Mediziner Natalia Rudovich und Andreas F. H. Pfeiffer hat nun das Eiweißmolekül Wingless-type signaling pathway protein-1 (WISP1) als ein weiteres mögliches Bindeglied zwischen Übergewicht und chronischen Entzündungsreaktionen bzw. einer Insulinresistenz identifiziert. Bislang hatten Studien das Molekül nur mit der Regulation des Knochenwachstums und dem Entstehen einiger Krebsarten in Verbindung gebracht.
Wie die Forscher jetzt erstmals anhand klinischer Untersuchungen zeigen, produziert das sogenannte viszerale Fettgewebe, das sich im Bauchraum um die Eingeweide herum befindet, besonders viel WISP1, das es ans Blut abgibt. Die Synthesemenge des Proteins steht dabei mit dem Grad der Insulinresistenz sowie der Freisetzung bestimmter Entzündungsmarker in enger Beziehung. Das Fettgewebe unter der Haut stellt dagegen nur moderate Mengen dieses Eiweißmoleküls her. Zudem beobachteten die Mediziner, dass sich nach einer Gewichtsreduktion der WISP1-Gehalt im Blut der Studienteilnehmer verminderte. Darüber hinaus stimulierte das Protein dosisabhängig die Differenzierung von in Kultur gehaltenen, menschlichen Makrophagen zum klassischen M1-Typ, der eine Rolle bei vielen akut-entzündlichen Erkrankungen spielt. „Wir vermuten, dass WISP1 einer der Stoffe sein könnte, welche die Makrophagen-Funktion und -Einwanderung ins Fettgewebe kontrollieren“, sagt Veronica Murahovschi, Erstautorin der Studie.
„Je mehr wir über die molekularen Mechanismen erfahren, die den übergewichtsbedingten Entzündungsprozessen zu Grunde liegen, desto leichter wird es sein, zukünftig geeignete Medikamente zu entwickeln, welche Erkrankungen wie Diabetes, Herzinfarkt oder Schlaganfall entgegenwirken“, erklärt Pfeiffer. „Denkbar wären zum Beispiel Medikamente, die gezielt die verstärkte Ausschüttung von Entzündungsmediatoren wie WISP1 auf ein normales Maß verringern“, sagt Rudovich. Von der Grundlagenforschung bis zum einsatzfähigen Therapeutikum sei es aber noch ein langer Weg, so die Medizinerin weiter. Dennoch würden die Ergebnisse schon jetzt dazu beitragen, die Zusammenhänge zwischen Übergewicht, Immunsystem und Stoffwechselerkrankungen besser zu verstehen. Originalpublikation: WISP1 is a novel adipokine linked to inflammation in obesity Veronica Murahovschi et al.; Diabetes, doi: 10.2337/db14-0444; 2014