Eine junge Frau klagt seit Wochen über Fieber und Abgeschlagenheit. Sämtliche Untersuchungen sind zunächst unauffällig – doch die seltsame Theorie ihres Physiotherapeuten führt die Ärzte auf die richtige Spur.
Dieser Fall handelt von einer 32-jährigen Italienerin, die sich im Dezember 2021 aufgrund von Abgeschlagenheit und Problemen bei der Gewichtszunahme in unserer Praxis vorstellte. Die Frau berichtete, ihre Leidensgeschichte habe ca. ein Jahr zuvor begonnen. Sie habe damals plötzlich wie aus dem Nichts heraus nachmittags immer Fieber bis fast 39 °C entwickelt. Zudem habe sie Gewicht verloren, obwohl sie sehr gerne und auch ausreichend esse.
Aufgrund der Beschwerden waren zahlreiche Untersuchungen veranlasst worden: ein infektiologisches Labor, eine Tumorsuche inklusive CT von Thorax und Abdomen, sowie eine Gastroskopie und Koloskopie. Die Untersuchungen waren sämtlich ohne wegweisenden Befund und boten insbesondere keinen Anhalt für eine Zöliakie. Es imponierten lediglich durchgehend erhöhte CRP-Werte bis 48 mg/l.
In daraufhin veranlassten Stuhlkulturen war ein Clostridioides difficile gefunden worden, der mit Metronidazol behandelt wurde obwohl zu keinem Zeitpunkt Diarrhoen bestanden. Danach sei es ihr vorübergehend besser gegangen. Zumindest seien die Fieberschübe verschwunden. Die Abgeschlagenheit sowie die Schwierigkeiten bei der Gewichtszunahme jedoch blieben, sodass sie sich bei einer Rheumatologin vorstellte. In den dort angeforderten Laboruntersuchen waren die ANAs (Antinukleäre Antikörper) mit 1:800 bis 1:1.600 unspezifisch erhöht. Die ENAs (extrahierbare nukleäre Antigene) waren unauffällig.
Auslandsaufenthalte im außereuropäischen Ausland wurden verneint. Die gynäkologischen Vorsorgeuntersuchungen hatte sie regelmäßig wahrgenommen, ohne dass sich wegweisende Pathologien ergaben. Haustiere habe sie nicht. Die Sexualanamnese war unauffällig. Die körperliche Untersuchung zeigte eine kachektische Patientin (BMI 18) in reduziertem Allgemeinzustand. Die restliche körperliche Untersuchung inklusive der Vitalparameter war unauffällig.
Auf die Frage, ob der Patientin noch irgendetwas aufgefallen sei, von dem sie noch nicht berichtet habe, überlegte sie einen Moment und sagte dann, sie habe Schmerzen am Hals. Sie zeigte auf die Region medial des Musculus sternocleidomastoideus. Ihr Physiotherapeut habe ihr jedoch versichert, es handle sich um den Nervus phrenicus, der bei ihr verklemmt sei und „lockere“ diesen mit Massagen des Zwerchfells. Diese Hypothese erschien unplausibel.
Der Patientin wurde mit Verdacht auf eine Karotidynie eine Sonographie der Karotiden vorgeschlagen, die sie zunächst ablehnte, da sie berichtete, in der Woche zuvor bereits eine Duplexsonographie gehabt zu haben, die unauffällig gewesen sei. Schließlich willigte sie jedoch ein.
Es zeigte sich hier eine beidseitig bestehende, homogene zirkuläre Wandverdickung der distalen Arteria carotis communis bilateral und des Abganges der Arteria subclavia links auf 2,5 mm. Damit stand die Verdachtsdiagnose einer Takayasu-Arteriitis fest. Diese erhärtete sich noch durch die bei der Patientin bestehende Sturzsenkung (49 mm nach einer Stunde, 79 mm nach zwei Stunden). Das EKG war unauffällig. Brustschmerzen wurden verneint. Sonographie-Bild der Arteria carotis communis rechts. Credit: Janina AgostonDie Patientin wurde umgehend mit Prednisolon (60 mg/d) anbehandelt und an ein spezialisiertes Zentrum angebunden. Ein MRT bestätigte im Verlauf die Verdachtsdiagnose. Der Aortenbogen zeigte sich nicht betroffen. Der Befall beschränkte sich auf die bereits im Ultraschall gesehenen Bereiche. Die Patientin ist inzwischen klinisch stabil und wurde auf einen TNF-α-Blocker umgestellt. Sonographie-Bild der Arteria carotis communis links. Credit: Janina Agoston
Die Takayasu-Arteriitis ist eine autoimmunbedingte Großgefäßvaskulitis, die vor allem bei jungen Frauen unter dem 40. Lebensjahr auftritt. Die Inzidenz in Europa liegt bei 1:1.000.000. Typischerweise sind der Aortenbogen und die davon abgehenden Gefäße betroffen.
In der ersten Phase der Erkrankung bestehen – wie auch bei der oben genannten Patientin – häufig zunächst Allgemeinsymptome wie Fieber, Gewichtsverlust, Nachtschweiß, Gelenkschmerzen und Abgeschlagenheit. Dieses Prodromalstadium kann Wochen bis Monate lang dauern. In der zweiten Phase treten, wie im obigen Fall, häufig Schmerzen im Bereich der Carotiden auf. Rückenschmerzen können Ausdruck einer floriden Aortitis sein. In der dritten Krankheitsphase dominieren zunehmende Durchblutungsstörungen das klinische Bild. Messung der Blutsenkungsgeschwindigkeit: Die Methode lieferte bei der Diagnose der Takayasu-Arteriitis wichtige Informationen. Typisch ist eine Sturzsenkung, hier 79 mm in 2 h. Credit: Janina Agoston.
Bei einem Befall der A. subclavia kann es zu einer Pulsschwäche bis Pulslosigkeit des entsprechenden Armes und Claudicatio unter Belastung sowie zum Subclavian-Steal-Syndrom kommen. Bei Befall der Karotiden besteht die Gefahr cerebraler Ischämien. Auch die Koronaraterien können durch die Erkrankung betroffen sein. Myokardinfarkte sind eine der Haupttodesursachen bei Takayasu-Arteriitis. Die Aortitis kann ein Aortenaneurysmen und eine Insuffizienz der Aortenklappe zur Folge haben. Diagnostisch zeigt sich die Entzündungsaktivität im Blut durch erhöhte CRP-Werte und eine beschleunigte Blutsenkungsgeschwindigkeit. Eine ANA-Erhöhung, wie sie bei unserer Patientin vorlag, ist nicht typisch.
Der obenstehende Fall zeigt, dass eine einfache Sonographie bereits diagnostisch wegweisende Befunde erbringen kann. Die Diagnose sollte zudem mittels MR-Angiographie gesichert werden. Alternativ können auch eine Positronenemissionstomatographie mit oder ohne Computertomographie oder eine CT-Angiographie erfolgen.
Die Therapie der Takayasu-Arteriitis sollte unverzüglich begonnen werden, um schwerwiegenden Komplikationen vorzugreifen. Zunächst besteht die Therapie aus 40–60 mg Prednisolon täglich. Im Verlauf wird Prednisolon über Monate hinweg ausgeschlichen und die Therapie stattdessen auf Immunsuppressiva wie Methotrexat, Azathioprin oder Biologika wie Tocilizumab oder TNF- Hemmer umgestellt. Bei fortbestehenden Stenosen können Interventionen mittels Ballondilation erforderlich werden. Die Behandlung ist insgesamt langwierig und Rezidive sind häufig (bis zu 70 %). Die Betreuung sollte durch spezialisierte Zentren erfolgen. Die Prognose ist maßgeblich vom Diagnosezeitpunkt, dem Alter und dem Ansprechen auf die Therapie abhängig. Dank verbesserter Diagnosemöglichkeiten und effektiveren Therapien konnte die Mortalität in den letzten Jahrzenten gesenkt werden, liegt jedoch noch immer über der der Normalbevölkerung.
Quellen
Deutsche Rheumaliga, Merkblatt Rheuma 3.4 „Takayasu Arteriitis“. https://alt.rheuma-liga.de/merkblaetter/
Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh), S2k Evidenzbasierte Leitlinie „Management der Großgefäßvaskulitiden“, 2020. https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/060-007
Keser G. et al., Takayasu arteritis: an update. Turkish Journal of Medical Sciences, 2018. https://journals.tubitak.gov.tr/medical/vol48/iss4/1/
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