Ursache einer COPD im Erwachsenenalter ist oft das Rauchen. Für manche Patienten ist der Krankheitsursprung aber in der frühen Kindheit zu finden. Worauf ihr achten müsst.
Chronische Atemwegserkrankungen sind ohne Frage eines der größten Probleme für die öffentliche Gesundheit. Eine Schätzung im Lancet Respiratory Medicine[1] kam zum Schluss, dass 2017 weltweit etwa 544,9 Millionen Menschen an einer chronischen Atemwegserkrankung litten und sie nach kardiovaskulären Erkrankungen und Krebserkrankungen die dritthäufigste Todesursache war. Allein im Jahr 2017 kam es zu 3,9 Millionen Todesfällen aufgrund einer Atemwegserkrankung – das macht etwa 7 % aller Todesfälle aus.
Die meisten davon sind auf chronisch obstruktive Lungenerkrankungen (COPD) zurückzuführen. Deren Entstehung wird hauptsächlich auf das Rauchen zurückgeführt. Auch die berufliche Exposition zu schädlichen Gasen und Stäuben sowie allgemeine Luftverschmutzung sind als Ursachen und Risikofaktoren bekannt – kein Wunder also, dass sich auf diese Faktoren die meisten Präventivmaßnahmen fokussieren.
Aber auch von einem anderen Faktor wird seit langem gemutmaßt, dass er mit der Entstehung einer COPD im späteren Lebensverlauf zusammenhängen könnte, nämlich das Auftreten akuter Atemwegsinfekte in der frühen Kindheit. Einige epidemiologische Studien unterstützen diese Annahme auch. Bislang ist die Studienlage aber nicht sehr belastbar: Die Studienkohorten sind nicht immer repräsentativ für die jeweilige Gesamtbevölkerung, und die Angaben zu Erkrankungen im Kindesalter beruhen auf retrospektiven Befragungen der erwachsenen Probanden.
Interessant sind daher die Ergebnisse einer aktuellen Studie[2] im Lancet, die ihre repräsentative Kohorte von Geburt an über ganze 73 Jahre verfolgte. Die britische National Survey of Health and Development untersuchte die gesundheitliche Entwicklung von 3.589 Studienteilnehmern von ihrer Geburt in 1946 bis zum Jahr 2019. Die Forscher der Untersuchung liefern jetzt durchaus handfeste Hinweise, dass die Gesundheit der Atemwege in jungen Jahren einen Einfluss auf die Sterblichkeit durch Atemwegserkrankungen im späteren Lebensverlauf hat.
Bei einem Viertel der Probanden (913 von 3.589) wurde vor ihrem zweiten Lebensjahr eine Infektion der unteren Atemwege (LRTI) gemeldet. Bis zum Ende des Beobachtungszeitraums waren 674, also 19 % der gesamten Teilnehmerkohorte, gestorben, was als vorzeitiger Tod klassifiziert wurde. Von diesen 674 Probanden starben 52 (8 %) an einer Atemwegserkrankung – meist COPD.
Unter Berücksichtigung maßgeblicher Risikofaktoren wie dem Rauchstatus oder dem sozioökonomischen Hintergrund in der Kindheit zeigten diese Daten: Diejenigen, die in ihrer frühen Kindheit eine LRTI durchgemacht hatten, hatten ein um 93 % erhöhtes Risiko (HR 1,93; 95 % CI 1,10 – 3,37) als Erwachsene frühzeitig an einer Atemwegserkrankung zu versterben. Dieses Risiko schien dabei spezifisch für Atemwegserkrankungen zu gelten; für andere Erkrankungen wie Krebs oder Herzerkrankungen ließ sich im Zusammenhang mit einer frühkindlichen LRTI kein erhöhtes Risiko feststellen.
Die Studienautoren kommen zum Schluss, dass die Rate vorzeitiger Todesfälle aufgrund von Atemwegserkrankungen in diesem Patientenkollektiv damit also fast doppelt so hoch liegt wie bei den Patienten ohne LRTI in der frühen Kindheit (2,1 % vs. 1,1 %). Auf Grundlage ihrer Daten berechneten sie ferner, dass in England und Wales im Zeitraum von 1972 bis 2019 179.189 Todesfälle mit einer solchen frühkindlichen LRTI assoziiert sein könnten – das entspräche immerhin einem Fünftel aller Todesfälle im Alter von <73 Jahren durch Atemwegserkrankungen in diesem Zeitraum. Auf das Rauchen seien im Vergleich dazu 3 von 5 Todesfällen zurückzuführen.
„Die derzeitigen Präventionsmaßnahmen für Atemwegserkrankungen im Erwachsenenalter konzentrieren sich hauptsächlich auf Risikofaktoren des Lebensstils, wie etwa das Rauchen“, stellt Hauptstudienautor Dr. James Allinson fest. „Die Tatsache, dass einer von fünf Todesfällen durch Atemwegserkrankungen im Erwachsenenalter auf verbreitete Infektionen zurückzuführen ist, die viele Jahrzehnte früher in der Kindheit auftraten, zeigt, dass das Risiko lange vor dem Erwachsenenalter angegangen werden muss.“
„Die Ergebnisse unserer Studie deuten darauf hin, dass Bemühungen zur Verringerung von Atemwegsinfektionen in der Kindheit einen Einfluss auf die Bekämpfung der vorzeitigen Sterblichkeit durch Atemwegserkrankungen im späteren Leben haben könnten“, ergänzt Mitautorin Professor Rebecca Hardy.
Durch den ungewöhnlich langen Beobachtungszeitraum birgt die Studie einige Vorteile. Allerdings muss auch bedacht werden, dass mögliche Störfaktoren in der Analyse unberücksichtigt geblieben sein könnten – beispielsweise der Rauchstatus der Eltern. Weiterhin ist zu bedenken, dass sich seit Beginn der Studie einiges getan hat: Gesellschaftliche Änderungen wie die Einführung von Kinderimpfungen, die Verbesserung der Gesundheitsversorgung und sowie eine bessere Ernährung könnten seitdem einen maßgeblichen Einfluss auf die Lungenfunktion gehabt haben. Daher sind Ergebnisse dieser Kohorte womöglich nicht auf spätere Jahrgänge übertragbar.
Trotzdem sieht Allinson einen großen Mehrwert in seiner Studie: „Der Nachweis, dass chronische Krankheiten im Erwachsenenalter ihren Ursprung in der frühen Kindheit haben, trägt auch dazu bei, das Stigma zu widerlegen, dass alle Todesfälle durch Krankheiten wie COPD mit Lebensstilfaktoren zusammenhängen“
Quellen:
[1] GBD Chronic Respiratory Disease Collaborators, Prevalence and attributable health burden of chronic respiratory diseases, 1990–2017: a systematic analysis for the Global Burden of Disease Study 2017. Lancet Respir Med. 2020; 8: 585-596. DOI: 10.1016/S2213-2600(20)30105-3
[2] Allinson JP, et al., Early childhood lower respiratory tract infection and premature adult death from respiratory disease in Great Britain: a national birth cohort study. The Lancet 2023; DOI: 10.1016/S0140-6736(23)00131-9
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