Biologen haben die Informationsschleifen identifiziert, mit denen das Zytomegalievirus die Immunantwort unterläuft: Es macht durch ein spezielles Gen den Wirt blind für Interferone und hemmt damit die Abwehrkaskade. Dadurch rückt ein therapeutischer Impfstoff näher.
„Um zu verstehen, worauf die Immunzellen der ersten Verteidigungslinie ansprechen, haben wir uns drei verschiedene Zelltypen angesehen und mit dem besonders trickreichen Zytomegalievirus infiziert“, sagt Dr. Marius Döring, Wissenschaftler am Institut für Experimentelle Infektionsforschung des TWINCORE. Er hat zwei unterschiedliche dendritische Zelltypen und Makrophagen untersucht, die im Körper auf Eindringlinge warten. Ihre Aufgabe ist es, diese Eindringlinge anderen Zellen des Immunsystems zu zeigen und so die Informationen an die zweite Verteidigungslinie des Immunsystems weiterzugeben.
„Wir haben uns gefragt, wie die einzelnen Zelltypen unabhängig voneinander auf das Virus reagieren, um diese frühe Reaktion des Immunsystems besser zu verstehen“, sagt Döring. „Denn sie stellt die Weichen für eine erfolgreiche Abwehr des Krankheitserregers.“ Um die Frage zu beantworten, haben die Forscher die Immunzellen mit Zytomegalieviren in unterschiedlichen Zuständen behandelt: mit ganz normalen Viren, die die Immunzellen effektiv stören; mit durch UV-Licht abgetöteten Viren, die sozusagen nur noch aus ihrer Hülle bestehen, aber die Immunzellen nicht mehr aktiv beeinflussen können, und mit Viren, denen ein spezielles Gen fehlt. Ohne dieses Gen sind die Viren nicht mehr in der Lage, die Interferonsignale in der Wirtszelle zu unterdrücken. Diesem Virus ist sozusagen die Interferon-Tarnkappe genommen - allerdings hat das Virus noch diverse andere Tarnkappen für andere Signalwege, die das Immunsystem beeinflussen und die Abwehr bremsen. So können die Forscher beurteilen, welche Rolle speziell die Interferonsignale in diesen Zelltypen bei der Abwehr des Zytomagalievirus spielen.
Die Experimente haben gezeigt, dass genau diese Interferon-Tarnkappe eine besondere Rolle bei der Steuerung der Immunantwort spielt: Während das intakte Virus die - erwartete - gebremste Reaktion in einem Teil der Immunzellen auslöst, induziert das mit UV-Licht abgetötete Virus eine starke erste Abwehrreaktion in diesen Immunzellen. Und auch das genmanipulierte Virus, dem lediglich die Interferon-Tarnkappe abgenommen wurde, löst eine ähnlich starke Interferonreaktion in den betroffenen Immunzellentypen aus. „Das zeigt, dass ein intaktes Virus die gesamte Abwehrkaskade hemmt, nur indem es den Interferon-Signalweg abschaltet. Hinzu kommt noch, dass die initiale Interferonausschüttung weitere Interferonausschüttung bei anderen Zellen auslöst und verstärkt, sodass eine regelrechte Botenstoffwelle durch den angegriffenen Organismus rollt“, erklärt der Biologe. Da das Virus diese Welle bereits sozusagen im Keim erstickt, kann das Immunsystem nur schwach auf den Erreger reagieren. „Diese Feedback-Schleife - die sich selbst verstärkende Interferonreaktion - ist essenziell für eine erfolgreiche Immunabwehr“, schließt Döring.
„Wir konnten erstmals zeigen, dass das Zytomegalievirus diese Feedback-Schleife in Immunzellen unterbricht und die Stärke der frühen Immunantwort des Wirtes vermindern kann.“ Dieses Ergebnis ist ein erster Schritt für die Entwicklung eines therapeutischen Impfstoffs gegen Zytomegalieviren - der eingesetzt werden kann, nachdem der Patient bereits mit dem Virus infiziert ist und der das Immunsystem gegen das Virus aktiviert. Originalpublikation: M27 Expressed by Cytomegalovirus Counteracts Effective Type I Interferon Induction of Myeloid Cells but Not of Plasmacytoid Dendritic Cells Marius Döring et al.; Journal of Virology, doi: 10.1128/JVI.00216-14; 2014