Ihr betretet den Stall und blickt in das Gesicht eines Lamas – für Landtierärzte mittlerweile keine Seltenheit mehr. Was man bei diesen Tieren beachten sollte, erfahrt ihr in unserem Überblick.
Großtierärzte, die normalerweise im Bereich Rind oder Pferd unterwegs sind, werden immer öfter angefragt, auch Alpakas und Lamas zu untersuchen und zu behandeln. Weil die Arbeit mit Neuweltkamelen sich doch in vielen Punkten von dem gewohnten Vorgehen mit Rindern oder Pferden unterscheidet, folgt hier ein Überblick der Grundlagen von Untersuchung und Diagnostik.
Alpakas und Lamas unterscheiden sich durchaus voneinander, was ihr Verhalten betrifft. Prinzipiell kann man sagen, dass Alpakas scheuer und schreckhafter sind. Im Laufe der Domestikation hatte das Lama als Transporttier und Fleischlieferant mehr Kontakt zum Menschen, was eine Selektion auf ein umgängliches Wesen mit sich brachte. Das Alpaka ist seit jeher hauptsächlich Wolllieferant und hatte somit einen weniger engen Kontakt zum Menschen als das Lama.
Neuweltkamele gelten als robust und wenig krankheitsanfällig. Lamas und Alpakas sind Herden- und Fluchttiere und verbergen ein vermindertes Allgemeinbefinden recht gut. Es ist schwierig, die Körperkondition der Tiere zu betrachten, da sie stark bewollt sind. Die physiologische innere Körpertemperatur beträgt 37,5–38,9 Grad Celsius. An heißen Tagen kann sie als Anpassung auch mehr als 40 Grad Celsius betragen. Prinzipiell kommen diese Tiere mit Hitze und Kälte gut zurecht.
Die Atemfrequenz bewegt sich zwischen 10 und 30 Zügen pro Minute. Beim Auskultieren ist ein vesikuläres Atemgeräusch nur leise hörbar. Die Herzfrequenz beträgt 60–90 Schläge pro Minute. Die Schleimhäute der Augen lassen sich wie bei anderen Säugetieren untersuchen. Die Hautelastizität wird wie beim Schaf am Oberlid geprüft. Die Umgebung der Nasenlöcher sollte außerdem untersucht werden und man überprüft die ausgeatmete Luft. Die Maulhöhle ist aufgrund der engen Maulspalte schwierig zu untersuchen. Die Kapillarfüllungszeit sollte weniger als 3 Sekunden betragen.
Eine intramuskuläre Injektion erfolgt am besten in die Oberschenkelmuskulatur, dabei sollte man eine kurze Kanüle verwenden. Für die subkutane Injektion eignet sich die haarlose Stelle in der Achsel.
Intravenöse Injektionen erfolgen über die Vena jugularis. Man sollte jedoch auf die Nähe zur Arteria carotis achten. Weitere Möglichkeiten sind die Vena auricularis media oder die Vena cephalica. Die Vena coccygea ist nicht zur Injektion geeignet. Eine Tropfenblutentnahme ist an der Schwanzunterseite und am Ohr mittels Lanzette möglich. Der Verlauf der Vena jugularis ist zu beachten. Sie läuft nicht subkutan, und ist außer in der Nähe des Kopfes und des Brusteingangs nicht von der Arteria carotis getrennt. Zudem ist sie durch die Processi transversi geschützt. Die Tiere haben im Halsbereich eine sehr dicke Haut. Injektionsstellen sind entweder eine Handbreit kaudal des Kinnwinkels oder eine Handbreit kranial des Brusteingangs.
Erkrankungen der Neuweltkameliden sind teilweise identisch zu denen der Wiederkäuer, aber sie haben auch eigene spezifische Krankheiten. Kamele käuen wieder und haben dementsprechend einen geteilten Magen und eine, allerdings schwach entwickelte, Schlundrinne. Kamele gehören aber nicht zur Unterordnung Ruminantia (Wiederkäuer). Es wird davon ausgegangen, dass die Schwielensohler die Fähigkeit zum Wiederkäuen unabhängig von den Wiederkäuern erworben haben. Es gibt deshalb auch funktionelle und anatomische Unterschiede zum Wiederkäuermagen. Man teilt die Kompartimente des Magens von Kameliden in C1, C2 und C3 ein.
Die Tiere zeigen klinisch Fressunlust, kein Wiederkauen, vermehrtes Liegen bzw. Festliegen und einen breiigen Kot. Die Diagnose erfolgt durch die Anamnese mit Fokus auf die Fütterung. Ebenso spielt die klinische Untersuchung, sowie der Säure-Basen-Haushalt des Bluts und des C1-Inhalts eine Rolle. Die Therapie besteht aus der reinen Fütterung von Raufutter, einer Infusionstherapie zum Ausgleich der Azidose, NSAIDs und der Gabe von Antazida, sowie der oralen Verabreichung von frischem Panseninhalt.
Ulzera werden bei Sektionen oft im Magen-Darm-Trakt gefunden. Die Ursachen sind unbekannt, wobei Stress, im Zusammenhang mit anderen Erkrankungen, als die wichtigste Ursache gilt. Ebenso wird eine verzögerte C3-Entleerung diskutiert.
Die klinische Symptomatik ist unspezifisch. Das Allgemeinbefinden ist vermindert, die Tiere zeigen Fressunlust, die C1-Motilität ist herabgesetzt. Zudem kommt es zu Koliken und einer verminderten Kotmenge – der Kot ist dabei dunkelbraun bis schwarz. Weitere Anzeichen sind anämische Kopfschleimhäute sowie Abmagerung. Die Diagnose erfolgt mittels klinischer Untersuchung, Bestimmung des Blutstatus, Hemofec-Test oder, bei Bedarf, einer Sonographie. Sollte die Ursache bekannt sein, ist es wichtig, diese zu beheben. Man sollte außerdem kein Kraftfutter füttern – dafür genügend Raufutter. Die Therapie erfolgt mit Omeprazol oral (4 mg/kg). Präventiv gilt es, Stress zu vermeiden und die Haltungsbedingungen zu optimieren.
Die klinischen Anzeichen für eine Zinc responsive dermatitis sind Alopezie, eine verdickte und borkige Haut sowie eine Hyperpigmentierung. Komplikationen sind oftmals bakterielle Sekundärinfektionen. Die Diagnose erfolgt mittels klinischer Untersuchung, sowie der Bestimmung des Zinks im Serum (Normwert 4,1–12,4 µmol/l). Durch eine Hautbiopsie kann eine Hyperkeratose beziehungsweise eine Parakeratose festgestellt werden. Mögliche Differentialdiagnosen sind Milbenbefall oder eine idiopathische Hyperkeratose.
Physiologisch sollte die Zinkaufnahme über 0,05 mg/kg Körpergewicht betragen. Ursachen für Zinkmangel können fütterungsbedingt sein oder an einer gestörten Zinkresorption im Darm liegen. Die Therapie besteht aus der oralen Gabe von Zink über 2–3 Monate, gegebenenfalls auch lebenslang. Man kann Zinkmethionin (4g/d) oder Zinksulfat (2g/d) verabreichen. Nach 6–8 Wochen sollte die Zinkkonzentration im Blut überprüft werden und – falls notwendig – muss die Dosis angepasst werden. Danach sollte der Tierarzt halbjährlich die Zinkkonzentration im Blut messen.
Quelle:
Wittek, Thomas; Franz, Sonja (2021): Praxishandbuch Neuweltkamele. Ein Leitfaden zur Diagnostik, Therapie und Prophylaxe bei Lamas und Alpakas. Schlütersche (Verlag), 978-3-8426-0017-1 (ISBN)
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