Wie verbreitet ist Typ-2-Diabetes in Deutschland? Experten haben Daten von ca. 85 % der deutschen Bevölkerung ausgewertet und die bundesweiten Trends analysiert. Obwohl die Neuerkrankungen sinken, bereitet ihnen ein anderer Wert große Sorgen.
Bislang konzentrierten sich Studien, die die Verbreitung Typ-2-Diabetes in Deutschland untersuchen, auf einzelne Regionen. Auf Basis von rund 63 Millionen Deutschen hat das Diabetes-Zentrum (DDZ) nun erstmals Trends zur bundesweiten Inzidenz über einen Zeitraum von sechs Jahren erhoben. Dazu stellte das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung anonymisierte Daten aller gesetzlich Versicherten in Deutschland zur Verfügung.
Insgesamt wurden jedes Jahr ca. 450.000 Neuerkrankungen erfasst. Die Arbeitsgruppe stellte fest, dass die Inzidenzrate bei Frauen um 2,4 % und bei Männern um 1,7 % jährlich über alle Altersgruppen sank – vor allem in den höheren Altersgruppen. „Erfreulich ist, dass die deutschlandweite Inzidenz offenbar um etwa 2 Prozent pro Jahr sinkt – auch, wenn die Zahl der Neuerkrankungen immer noch immens ist“, sagt Erstautor Dr. Thaddäus Tönnies.
Bedenklich sei der Fakt, dass in der Altersgruppe der 20- bis 39-Jährigen die Neuerkrankungen anstiegen: Bei Männern um 2,9 % und Frauen um 2,4 % jährlich. „Typ-2-Diabetes ist definitiv keine Krankheit des Alters mehr“, erklärt der Experte. „Es erhalten immer häufiger junge Menschen die Diagnose Typ-2-Diabetes.“ Deswegen erstaunt es auch nicht, dass der Anteil der Betroffenen insgesamt weiter steigt. „Dass die Prävalenz im gleichen Zeitraum steigt ist nur ein scheinbarer Widerspruch“, erklärt Prof. Oliver Kuß vom DDZ. „Denn die immer besser werdende medizinische Versorgung von Menschen mit Typ-2-Diabetes führt zu einer höheren Lebenserwartung und damit auch zu einem größeren Anteil erkrankter Personen an der Gesamtbevölkerung.“
Wie die bundesweite Inzidenzrate sinkt auch der SIR auf Kreisebene über den Beobachtungszeitraum. Dabei ist der SIR der Faktor, um den sich die Inzidenzrate eines Kreises von der bundesweiten Inzidenzrate im Jahr 2014 unterscheidet. Im Jahr 2019 lagen grundsätzlich deutlich mehr Kreise unter der bundesweiten Inzidenzrate. Es ist aber auch zu erkennen, dass die Inzidenzrate in den neuen Bundesländern und im Saarland tendenziell über dem Bundesdurchschnitt liegt.
Daher können die Forscher keine Entwarnung geben. „Auch, wenn die vorliegende Arbeit erstmals auf leicht sinkende Neuerkrankungsraten hinweist, muss weiterhin intensiv beobachtet werden, ob sich dieser Trend auch fortsetzt“, fordert Diabetologe Prof. Michael Roden. Die Dynamik könne sich rasch wieder umkehren. Auch eine gewisse Dunkelziffer Nicht-Diagnostizierter sowie Falsch-Kodierungen dürfe man nicht unberücksichtigt lassen. Präventive Maßnahmen, gezielte Bewegungsangebote, gesunde Ernährungsgewohnheiten und die gesundheitliche Aufklärung müssen gefördert werden, um aus einem ersten Trend eine langfristige Kehrtwende einzuleiten, so die Autoren.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des Deutsches Diabetes-Zentrums. Hier findet ihr die Originalpublikation.
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