Eine Auswertung zeigt, dass der BTK-Inhibitor Zanubrutunib gegenüber seinem Vorgänger Ibrutinib bei bestimmten Patienten mit rezidivierter chronischer lymphatischer Leukämie einen Zusatznutzen bietet. Allerdings hat die Sache einen Haken.
Zanubrutinib, ein Bruton-Tyrosinkinase-Inhibitor (BTK-Inhibitor) der zweiten Generation, ist für mehrere Anwendungsgebiete zugelassen. Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat nun untersucht, ob der Wirkstoff erwachsenen Patienten mit chronischer lymphatischer Leukämie (CLL) nach einem Rezidiv oder bei einer refraktären Erkrankung einen Zusatznutzen gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie bietet.
Je nach Vorbehandlung hat der G-BA die Betroffenen in vier Gruppen unterteilt und unterschiedliche zweckmäßige Vergleichstherapien festgelegt. Nur für eine dieser Gruppen hat der Hersteller in seinem Dossier geeignete Daten aus einer Studie vorgelegt. In dieser wurde Zanubrutinib mit Ibrutinib verglichen, einem BTK-Inhibitor der ersten Generation.
Das Ergebnis: Für Betroffene, die bislang noch keinen BTK- oder B-Zell-Lymphom-2-Inhibitor (BCL2-Inhibitor) erhalten haben, gibt es einen Anhaltspunkt für einen Zusatznutzen gegenüber Ibrutinib. Das Ausmaß des Zusatznutzens ist altersabhängig. Für Patienten, die bereits einen BTK- oder einen BCL2-Inhibitor oder beides erhalten haben, ist ein Zusatznutzen von Zanubrutinib gegenüber der jeweiligen zweckmäßigen Vergleichstherapie mangels geeigneter Studiendaten hingegen nicht belegt.
Bei der CLL, einer der häufigsten Formen der Leukämie, bringt das Knochenmark große Mengen abnormer B-Zellen hervor, die nach und nach das Blut, das Knochenmark selbst und verschiedene Organe überschwemmen. Sie tritt meist in höherem Alter auf und gilt als unheilbar; Therapien können ihr Fortschreiten aber verlangsamen. Der Verlauf hängt dabei von genetischen Risikofaktoren ab: So geht beispielsweise die sogenannte 17p-Deletion in den abnormen B-Zellen mit einem kürzeren Überleben einher. Solche Mutationen sind bei refraktärer CLL besonders häufig.
Bis vor wenigen Jahren galt eine Chemoimmuntherapie als Behandlungsstandard. Allerdings könnte diese Therapie dazu beitragen, dass sich B-Zellen mit 17p-Deletionen durchsetzen. Daher haben sich mittlerweile BTK-Inhibitoren wie Ibrutinib als neue Standardbehandlung etabliert. Ibrutinib erhöht die mittlere Überlebenszeit, geht aber oft mit schweren Nebenwirkungen einher. Deshalb wurden neuere BTK-Inhibitoren entwickelt, die spezifischer wirken und dadurch besser verträglich sein sollen. Daneben kommen auch BCL2-Inhibitoren wie Venetoclax zum Einsatz, die das Absterben der abnormen B-Zellen beschleunigen.
In seinem Dossier hat der Hersteller nur für vorbehandelte Betroffene mit einem Rezidiv oder einer refraktären CLL, die bislang weder einen BTK- noch einen BCL2-Inhibitor erhalten haben, geeignete Daten vorgelegt. Diese stammen aus der noch laufenden randomisierten kontrollierten Studie ALPINE. Die Vorbehandlung bestand bei gut drei Viertel der Betroffenen in einer Chemoimmuntherapie und ein großer Teil wies genetische Risikofaktoren wie die 17p-Deletion auf.
Aktuelle Leitlinien empfehlen die Chemoimmuntherapie bei einer CLL allerdings gar nicht mehr oder nur noch bei Patienten ohne genetische Risikofaktoren. Daher dürfte es in Deutschland in den kommenden Jahren nur noch wenige Betroffene mit einem Rezidiv oder einer refraktären CLL geben, die nicht mit einem BTK- oder BCL2-Inhibitor vorbehandelt wurden. Dies schränkt die praktische Relevanz der Bewertungsergebnisse ein.
Die Studiendaten zeigen für Zanubrutinib im Vergleich zu Ibrutinib ausschließlich positive Effekte: Betroffene unter 65 Jahren überlebten länger. Zudem waren bestimmte schwere Nebenwirkungen wie Herzerkrankungen seltener und die Behandlung wurde seltener abgebrochen. Männer hatten mit dem BTK-Inhibitor der 2. Generation zudem weniger Muskelspasmen als mit dem älteren Vergleichswirkstoff.
Zusammengefasst heißt das also: Für Patienten mit rezidivierter/refraktärer CLL, die bislang noch keinen BTK-Inhibitor und/oder BCL2-Inhibitor erhalten haben, gibt es einen Anhaltspunkt für einen erheblichen Zusatznutzen von Zanubrutinib gegenüber Ibrutinib, wenn sie unter 65 Jahre alt sind. Sind sie 65 Jahre oder älter zeigt sich immer noch ein geringer Zusatznutzen. Wurde in der Vorbehandlung aber bereits ein BTK- und/oder ein BCL2-Inhibitor eingesetzt, so ist ein Zusatznutzen mangels geeigneter Studiendaten nicht belegt.
Dieser Artikel beruht auf einer Pressemitteilung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Die Originalpublikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
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